Hexer-Edition 02: Als der Meister starb
Hasses geworden, und seine Hände krampften sich um Schaft und Lauf einer schweren Schrotbüchse.
Einen Herzschlag lang blieb er reglos unter der Tür stehen, dann kam er näher – langsam, und das Gewehr so haltend, dass er sowohl mich als auch Bannermann und seine Männer jederzeit im Schussfeld hatte. »Rühren Sie sich nicht von der Stelle, Craven«, flüsterte er. Seine Stimme bebte. »Ich … ich warne Sie. Nehmen Sie die … die Hände hoch.«
Ich gehorchte. Rechts und links von mir nahmen auch Bannermann und die vier überlebenden Matrosen langsam die Hände in die Höhe. Von dem Portier hinter dem Empfang war keine Spur mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatte er die Gefahr mit dem Instinkt, den solche Leute manchmal haben, gespürt und sich frühzeitig in Sicherheit gebracht.
»Sie machen einen Fehler, Donhill«, sagte ich. »Wir …«
»Schweigen Sie!« Donhill unterstrich seinen Befehl mit einem wütenden Wink mit dem Gewehr, trat einen Schritt zur Seite und winkte mit der linken Hand. Ich bemerkte erst jetzt, dass er nicht allein gekommen war. Vor der offen stehenden Tür des Hotels drängten sich mindestens ein Dutzend Männer und Frauen. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Das Ganze erinnerte mich recht lebhaft an eine Lynchparty …
»Donhill«, sagte ich verzweifelt. »Sie täuschen sich. Wir sind in Gefahr. Dort oben liegt ein …«
»Sie sollen den Mund halten, Craven!«, zischte Donhill. Wütend trat er auf mich zu und hob das Gewehr, als wolle er mich schlagen. Ich duckte mich, wich einen halben Schritt zurück und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich Bannermann neben mir spannte.
»Kommen Sie rein, Gellic«, sagte Donhill laut. »Keine Angst – er kann Ihnen nichts mehr tun.«
Hinter ihm erschien eine schmalschultrige, grauhaarige Gestalt. Es dauerte einen Moment, bis ich den Mann erkannte – ohne seinen Bankschalter und die ledernen Ärmelschoner sah er verändert aus.
»Ist er das?«, fragte Donhill.
Gellic musterte mich von Kopf bis Fuß. Sein Blick flackerte, und er sah ganz aus wie ein Mann, der sich in diesem Moment sehr, sehr weit weg wünschte. Schließlich nickte er.
»Ja, Constabler«, murmelte er. »Das … das ist der Mann.«
Donhill nickte grimmig, drehte sich wieder vollends zu mir und reckte kampflustig das Kinn vor. »Robert Craven«, sagte er betont. »Ich verhafte Sie hiermit wegen dringenden Mordverdachtes.«
»Mord …«, keuchte Bannermann neben mir. »Sagten Sie: Mordverdacht, Constabler?«
Donhill warf ihm einen eisigen Blick zu. »Mischen Sie sich nicht ein, Captain. Mit Ihnen beschäftige ich mich später. Und nehmen Sie die Hände hoch!«
Bannermann hatte die Arme halb herabsinken lassen, hob die Hände aber jetzt hastig wieder in Schulterhöhe und schüttelte verwirrt den Kopf. »Sie müssen übergeschnappt sein, Donhill«, sagte er. »Vor wenigen Augenblicken hat jemand versucht uns umzubringen. Oben auf dem Flur liegt einer meiner Männer, Constabler. Tot! Warum kümmern Sie sich nicht darum, statt hier wilde Beschuldigungen vorzubringen?«
Donhill runzelte überrascht die Stirn, sah an Bannermann und mir vorbei zur Treppe und fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen.
Aber er tat nur so, als wäre er überrascht. Ich spürte es.
»Sie waren der letzte, der Leyman lebend gesehen hat, Craven«, sagte er hart. »Und Sie waren kaum fünf Minuten in seinem Geschäft, als das ganze Haus in Flammen aufging. Leyman ist tot, und wir können von Glück sagen, wenn der Brand nicht auf die ganze Stadt übergreift.« Er winkte befehlend mit dem Gewehr. »Also machen Sie keinen Unsinn und kommen Sie mit. Wenn Sie wirklich unschuldig sind, dann bekommen Sie Gelegenheit, Ihre Unschuld zu beweisen, Craven. Und Sie auch, Captain.«
Bannermann sog verblüfft die Luft ein. »Ich? Aber was haben wir …«
»Nichts«, sagte ich leise. »Wir sind Fremde, Bannermann, das reicht. Nicht wahr, Donhill?«
Ich hatte den Constabler während der ganzen Zeit nicht aus den Augen gelassen, und es hätte nicht einmal meines besonderen Talentes bedurft, um zu erkennen, wie genau ich mit meiner Vermutung ins Schwarze getroffen hatte.
»Das reicht«, sagte Donhill wütend. »Wenn Sie noch ein Wort sagen, schlage ich Ihnen die Zähne ein, Craven. Sie werden später Gelegenheit haben, sich zu verteidigen.« Er sprach laut; eine Spur zu laut. Die Worte galten weniger uns als vielmehr den Leuten, die draußen vor dem Hotel standen und Donhill und
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