Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
einer Sprache zu mir gesprochen hatte, die keines Menschen Ohr jemals gehört hatte. Ich schauderte. Allein die Erinnerung ließ mich frösteln.
»Erinnere dich!«, drängte Howard. »Es … es kann sein, dass unser Leben davon abhängt. Und das zahlloser anderer!«
Ich versuchte es, aber es ging nicht. Die Erinnerung bereitete mir fast körperliche Schmerzen.
»Sieh mich an!«, verlangte Howard. Instinktiv gehorchte ich. Sein Blick war starr in den meinen gerichtet, und seine Augen … irgendetwas war mit seinen Augen. Ihr Blick war durchdringend und hart, so fordernd und gnadenlos, wie ich es noch niemals zuvor erlebt hatte. »Sieh mich an!«, sagte er noch einmal, und diesmal war jedes einzelne seiner Worte wie ein Peitschenhieb, der mich bis ins Mark erschütterte. Irgendwo in einer verlorenen, frei gebliebenen Ecke meines Bewusstseins regte sich der Gedanke, dass Howard dabei war mich zu hypnotisieren oder etwas Ähnliches mit mir zu tun, aber ich war unfähig mich dagegen zu wehren.
»Erinnere dich!«, befahl Howard. »Erinnere dich, was geschehen ist. Du …«
Die Bilder kamen mit der Wucht eines Fausthiebes. Ich taumelte zurück, fiel gegen die Wand und krümmte mich wie unter Schmerzen. Rowlf wollte hinzuspringen, aber Howard scheuchte ihn mit einer raschen, beinahe herrischen Geste zurück. So wie draußen am Tor war ich mir meiner Umgebung weiterhin voll bewusst, aber gleichzeitig sah ich Bilder, die mir fremd und unverständlich waren und mich trotzdem mit einem unbeschreiblichen Grauen erfüllten. Ich war weiter ich, aber gleichzeitig auch eine andere – das Mädchen, in dessen Körper ich schon einmal gewesen war. Meine Umgebung hatte sich verändert. Ich war noch immer in der Kammer, aber über den feuchten Stein und die Wände krochen kleine, dunkle Dinge, die ich nicht genau erkennen konnte. Ein weißer Stoff wie Seide umgab meinen (meinen?) Körper und hinter dem wehenden weißen Vorhang bewegte sich etwas Gewaltiges, Dunkles. Bizarre Laute drangen an mein Ohr, dann hörte ich meine eigene Stimme Worte sprechen, die nicht von mir stammten.
»Geht weg«, keuchte ich. »Geht … doch … weg. Ich … Charles. Charles, hilf mir. Ich …«
Der weiße Schleier zerriss. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich das Wesen in aller Deutlichkeit erkennen.
Howard und Rowlf fingen mich auf, als ich das Bewusstsein verlor.
Ich konnte nicht sehr lange bewusstlos gewesen sein. Auf meiner Zunge lag ein übler Geschmack, als ich erwachte. Rowlfs mächtige Pranken stützten mich, und Howard kniete vor mir und fächelte mir mit einem Taschentuch frische Luft ins Gesicht.
»Nun?«, fragte er. »Alles wieder in Ordnung?«
Das Lächeln auf seinen Zügen war falsch und vermochte die Sorge, die er empfand, nicht zu überspielen. Auf seiner Stirn perlte Schweiß, obwohl es hier drinnen dunkel und kalt wie in einem Grab war.
»Nein«, knurrte ich. »Ich mag es nämlich nicht, wenn ich ohne mein Wissen hypnotisiert werde.«
Howard lächelte flüchtig. »Es war keine Hypnose«, sagte er.
Ich ignorierte seine Antwort. »Hast du wenigstens erfahren, was du wissen wolltest?«, fragte ich scharf.
»Nein«, entgegnete Howard. Er seufzte, richtete sich auf und half mir, ebenfalls auf die Füße zu kommen. Automatisch wanderte mein Blick zur Tür. Draußen war es dunkel geworden. Von der felsigen Ebene war nicht mehr als ein vager Schatten geblieben, über dem sich ein gewaltiger, sternenübersäter Himmel spannte. Der Blick reichte unglaublich weit.
»Es ist noch Zeit«, sagte Howard hastig, als er meinen Blick bemerkte, »aber nicht mehr viel. Erinnerst du dich an das, was du gesehen hast?«
Ich schwieg einen Moment, schüttelte den Kopf und sah ihn hilflos an. In meinem Kopf wirbelte alles durcheinander. Ich vermochte nicht zu unterscheiden, was Wirklichkeit, was Erinnerung und was schlichtweg Einbildung war.
»Du hast ein paarmal einen Namen gerufen«, sagte Howard vorsichtig. »Jenny … erinnerst du dich?«
Jenny … Das Wort ließ irgendetwas in mir klingen, aber es war wie die Erinnerung an einen Traum, der nur noch in Bruchstücken vorhanden ist. Und doch …
»Sie ist … in Gefahr«, murmelte ich.
In Howards Augen blitzte es auf. »In Gefahr?«, wiederholte er. »Wer ist sie? Wo ist sie?«
»Wir müssen ihr helfen«, wiederholte ich. Die Worte kamen schleppend, langsam – und ohne mein Zutun. Langsam und ohne wirklich zu wissen, warum, drehte ich mich von der Tür weg und deutete auf die halb
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