Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
Früher oder später finden wir das Schiff schon.« Plötzlich lächelte er. »Sei vernünftig, Junge. Du musst dich schonen.«
»Du hast eine phantastische Art, einem das Gegenteil dessen zu erklären, was du vor fünf Minuten noch behauptet hast«, erwiderte ich gereizt. »Sagtest du nicht, ich wäre nicht in Gefahr?«
»Zwischen todkrank und kerngesund gibt es ein paar Abstufungen, weißt du?«, antwortete Howard ungerührt.
»Ich habe auch nicht vor, nach dem Wrack zu tauchen, sondern bloß mich draußen ein wenig umzusehen. Ich kann mit deinen dämlichen Karten nichts anfangen. Für mich sind sie nichts als bunte Linien auf weißem Papier. Aber ich bin sicher, dass ich die Stelle wiedererkenne, wenn ich sie nur ein einziges Mal sehe.«
»Nein«, sagte Howard.
Die Ruhe, in der er das Wort hervorbrachte, versetzte mich in Rage. »Verdammt, dann gehe ich eben auf eigene Faust«, antwortete ich gereizt. »Du kannst mich nicht ewig bewachen. Schließlich musst du ab und zu einmal schlafen.«
Howard blickte mich einen Moment abschätzend an, schnippte seine Zigarre in den Kamin und nickte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht gefiel mir nicht. »Vielleicht hast du sogar recht«, murmelte er. Er sah auf, lächelte auf seltsam melancholische Art und fuhr fort: »Wahrscheinlich würdest du es tun. Aber das kann ich nicht zulassen.«
Ich begriff einen ganz kleinen Moment zu spät, was er damit meinte. Mit einem wütenden Krächzen fuhr ich auf, schleuderte die Decke zur Seite und sprang aus dem Bett, aber in meinem geschwächten Zustand hatte ich keine Chance. Bevor ich auch nur zwei Schritte getan hatte, war Howard bereits an der Tür und aus dem Zimmer.
Das Geräusch, mit dem er den Schlüssel im Schloss drehte, war nicht zu überhören.
Das Gasthaus lag am Ende der Straße, schon fast außerhalb der Stadt. Es war nicht gerade eines der besten Hotels von Durness, aber auch wieder kein Haus, in dem zwei Männer wie die, die gerade durch die Tür gekommen waren und sich jetzt unschlüssig umsahen, zur Stammkundschaft gehörten. Ihrem Aussehen nach zu urteilen, mussten sie Fischer oder auch Bauern aus der Umgebung sein, und den feucht-schmierigen Spuren nach zu schließen, die sie auf dem Boden hinterließen, als sie sich der Rezeption näherten, kamen sie direkt vom Feld oder der Küste.
Der Portier runzelte die Stirn, blickte die Männer der Reihe nach an und verrenkte sich beinahe den Hals, um mit übertriebener Mimik der Spur zu folgen, die die beiden Besucher auf dem Teppich zurückgelassen hatten. Auf seinem Gesicht erschien jener vorwurfsvolle, verbissen-höfliche Ausdruck, zu dem nur Hotelportiers fähig sind, die seit Jahrzehnten den geheimen Wunsch hegen, ihren Gästen einmal zu sagen, was sie wirklich von ihnen halten (es aber natürlich nie tun), und seine Stimme hätte kochendes Wasser zum Gefrieren bringen lassen, als er sich an die Männer wandte: »Bitte sehr?«
Einer der beiden – der Größere – fuhr wie unter einem Hieb zusammen und sah rasch weg, während der andere den Blick des Mannes gelassen erwiderte und sich mit den Ellbogen auf der polierten Platte des Tresens abstützte. »Mein Name ist Bensen«, sagte er. Seine Stimme klang unangenehm. Sein Haar war nass und klebte in Strähnen an Schläfen und Stirn und er roch nach Salzwasser und faulem Tang. Der Portier rümpfte ein ganz kleines bisschen die Nase und richtete sich kerzengerade auf. Er sah plötzlich aus, als hätte er den berühmten Besenstiel verschluckt.
»Wenn Sie ein Zimmer suchen, meine Herren …«, begann er.
»Suchen wir nicht«, unterbrach ihn Bensen.
Es gelang dem Portier nicht ganz, ein erleichtertes Aufatmen zu unterdrücken. »Wir … äh … hätten sowieso nichts mehr freigehabt«, sagte er vorsichtshalber. »Und womit kann ich Ihnen sonst dienen?«
»Wir suchen einen Ihrer Gäste«, antwortete Bensen. Er beugte sich ein wenig weiter vor, und der Portier wich eine weitere Winzigkeit zurück. Bensen grinste. Das Spiel begann ihm offensichtlich Spaß zu machen. »Einen gewissen Mister Phillips. Der wohnt doch hier, oder?«
»Sehr wohl, mein Herr«, antwortete der Portier steif. »Ich … werde nachhören, ob er Sie empfängt. Wie war noch einmal Ihr Name?«
»Bensen«, antwortete Bensen. »Aber der wird ihm nichts sagen. Richten Sie ihm aus, dass wir es gefunden haben.«
»Dass Sie …«
»Es gefunden haben«, bestätigte Bensen. »Das reicht. Er wird dann kommen. Bestimmt.«
Der Portier nickte steif.
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