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Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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rückte instinktiv ein Stück weiter von Norris weg und sah entsetzt auf seinen Körper herab. Die dunklen Flecke auf seinem Leib wurden immer zahlreicher. Seine Atemzüge klangen röchelnd.
    »Lennard«, flehte Norris. »Hilf … mir. Ich … halte es nicht mehr aus. Bring mich … zum Arzt.«
    Bensen schwieg fast eine Minute. Norris’ Kleidung hatte sich jetzt fast vollständig dunkel gefärbt. Der Gestank war kaum mehr auszuhalten. Er musste sein Hemd nicht weiter aufschneiden, um zu wissen, wie es darunter aussah.
    »Es tut mir leid, Kleiner«, sagte er. »Aber das kann ich nicht.«
    Norris keuchte. »Du …«
    »Du würdest alles verraten, nicht wahr?«, fuhr Bensen fort. Seine Hand krampfte sich fester um das Messer. »Sie würden dich fragen, woher du das hast, und du würdest alles erzählen. Die ganze Geschichte.«
    »Lennard!«, flehte Norris. »Ich … ich sterbe! Bitte hilf mir.«
    »Ich würde es ja gerne«, erwiderte Bensen leise. »Aber ich kann nicht. Du würdest Phillips auffliegen lassen und ich würde nicht an mein Geld kommen und den Rest meines Lebens in diesem Kaff verbringen. Ich kann das nicht. Ich will weg hier und ich lasse nicht zu, dass mich jemand daran hindert. Das siehst du doch ein, oder?«
    Damit beugte er sich vor und hob das Messer …
     
    Durness war nicht sehr belebt zu dieser Stunde; nur ein knappes halbes Dutzend Passanten bewegten sich mehr oder weniger zielstrebig auf den Bürgersteigen rechts und links der Hauptstraße, dazu ein einzelnes, von einem müden Gaul gezogenes Fuhrwerk. Vielleicht lag es an der noch frühen Stunde – Durness sieht auf der Landkarte respektabel aus, aber in Wahrheit ist es wenig mehr als ein Kaff, das zufällig einen kleinen Hafen besitzt und aus mir unerfindlichen Gründen eine bescheidene Industrie angelockt hat, die den Menschen in weitem Umkreis Arbeit gab. Sehr wenige seiner Einwohner mochten die Muße haben, tagsüber spazieren zu gehen und eine Strandpromenade, wie in den meisten anderen (und bekannteren) Seehäfen Englands, gab es erst gar nicht. Vielleicht lag es auch an der Novemberkälte, die an diesem Tage besonders grimmig zu sein schien und die Leute in die Häuser und vor ihre warmen Öfen getrieben hatte – ich jedenfalls begann den eisigen Biss des Windes schon nach wenigen Augenblicken unangenehm zu spüren. Die Luft roch nach Salzwasser und Tang und der Wind blies vom Meer aus, eine beständige, nicht sehr steife, aber doch unangenehme Brise, die durch meine dünne Kleidung drang und mich frösteln ließ. Ich war für die Witterung denkbar schlecht gekleidet. Oben im Zimmer hatte ich einfach übergestreift, was ich zuerst gefunden hatte, und das war eben ein vielleicht modischer, aber ganz und gar nicht wärmender Gehrock gewesen, der mir kaum Schutz vor der Kälte gewährte. Das Ergebnis war, dass ich nach kaum fünf Minuten bereits vor Kälte mit den Zähnen klapperte und erbärmlich fror.
    Ich fühlte mich noch immer wie betäubt. Ich war aus dem Hotel geflohen, und mir wurde erst jetzt – und auch erst jetzt nur ganz langsam – klar, dass ich nicht die geringste Ahnung hatte, wohin. Ich wusste, dass Howard ein Schiff im Hafen liegen hatte, und wenn der Portier meine Nachricht ausrichten würde, würde ich ihn dort treffen, sobald die Sonne untergegangen war.
    Aber bis dahin war noch gute fünf Stunden Zeit …
    Ich blieb stehen, trat unbewusst einen Schritt näher an die Hauswand heran und sah mich um. Der Himmel war bedeckt, wie oft zu dieser Jahreszeit, und es gab keine nennenswerten Schatten. Und selbst wenn die Sonne weiterwanderte, war ich auf dieser Seite der Straße in Sicherheit, zumindest für die nächsten Stunden. Aber ich konnte unmöglich bis Sonnenuntergang hierbleiben, und sei es nur wegen der Kälte.
    Es war ein Fehler gewesen, aus dem Hotel zu fliehen. Ich hatte in Panik gehandelt, und wie so oft, wenn man nicht mehr auf sein klares Denken, sondern nur noch auf die Angst hört, hatte ich das Falsche getan. Ich hätte das Feuer löschen, die Fenster verhängen und in aller Ruhe auf Howard warten sollen, statt kopflos aus dem Hotel zu stürzen. Einen Moment überlegte ich, ob ich zum Hotel zurückkehren und dort auf Howard warten sollte, verwarf den Gedanken dann aber wieder. Ich würde einen Ort finden, an dem ich mich verbergen konnte, bis die Sonne unterging, und Howard würde eine Lösung finden. Es galt nur, die Zeit bis dahin zu überstehen.
    Mein Blick wanderte die Straße hinab. Es gab ein paar

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