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Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fast wie eine kompakte Mauer wirkte. Lange, peitschende Tentakel aus zahllosen, regelrecht miteinander verflochtenen Wurzeln wuchsen aus der schwarzen Masse empor und tasteten wie Fühler hierhin und dorthin und der Vormarsch der Pflanzenmörder war von einem fürchterlichen Geräusch begleitet, mit dem es Möbelstücke und Holztrümmer an sich riss und verschlang. Von meinem erhöhten Standpunkt aus betrachtet, sah es aus, als fülle sich der große Raum unter uns rasch mit einer schwarzen, zähen Flüssigkeit.
    »Miss Winden! Laufen Sie!«, rief Howard mit überschnappender Stimme. Sein Schrei riss mich aus meiner Erstarrung. Ich sah, wie die dunkelhaarige Frau ein verzweifeltes Wettrennen mit der heranrasenden Wurzelmasse lief, dicht gefolgt von einem der Männer aus Durness, der bei ihr zurückgeblieben war.
    Miss Winden schaffte es, aber ihr Begleiter war nicht schnell genug. Einen halben Schritt hinter ihr erreichte er die unterste Stufe der Treppe, aber im gleichen Moment, in dem er sich nach vorne warf, um der Gefahr zu entgehen, zuckte einer der schwarzen Wurzelarme vor, ringelte sich wie der Fangarm eines Oktopus um sein Handgelenk und riss ihn mit unwiderstehlicher Gewalt zurück. Er fand nicht einmal Zeit, einen Schrei auszustoßen. Der schwarze Teppich schloss sich wie eine Flutwelle über ihm und raste weiter.
    Rowlf und McMudock begannen zu schießen, während Miss Winden verzweifelt die Treppe herauftaumelte, aber ihre Schrotladungen klatschten harmlos in die hölzerne Woge, ohne auch nur die geringste Wirkung zu zeigen. Das Haus erbebte und ich glaubte ein tiefes, fast schmerzhaftes Stöhnen zu hören, das direkt aus den Dachbalken zu kommen schien.
    »Die Treppe!«, schrie Howard. »Schlagt sie ein!«
    McMudock schleuderte sein Gewehr davon, bückte sich nach seiner Axt und begann mit aller Gewalt auf die morsche Holztreppe einzuschlagen. Sekunden später ließ auch Rowlf seine Waffe fallen und tat es ihm gleich. Die morschen Holzstufen gaben schon unter den ersten Hieben nach. Die ganze, seit einem Jahrzehnt baufällige Konstruktion wankte, begann zu zittern wie ein waidwundes Tier – und brach mit einem donnernden Krachen zusammen.
    Keine Sekunde zu früh. Die ersten Ausläufer der schwarzen Wurzelmasse hatten bereits die obersten Stufen erreicht und eine der dünnen Ranken wickelte sich um Rowlfs Bein und hielt es fest, als die Treppe zusammenbrach und die Hauptmasse mit sich in die Tiefe riss. Rowlf schrie auf und warf sich zurück, aber nicht einmal seine gewaltigen Kräfte reichten, dem Zug der kaum fingerdicken Liane zu widerstehen. Er fiel, versuchte sich mit den Händen in den Bodenbrettern festzukrallen und begann vor Angst und Entsetzen zu schreien, als er langsam, aber unbarmherzig auf die Tür zugezerrt wurde.
    McMudock wirbelte herum, schwang seine Axt und trennte den Strang mit einem wuchtigen Hieb durch. Das abgetrennte Ende fuhr mit einem peitschenden Knall zurück, aber der Teil, der Rowlfs Bein umklammerte, schien fast über eine Art Eigenleben zu verfügen und zog sich wie eine würgende Schlange enger und enger zusammen. Rowlf stöhnte, versuchte auf die Beine zu kommen und brach mit einem wimmernden Laut wieder zusammen. Vergeblich zerrten seine Hände an der dünnen Liane, die sein Bein abzuquetschen begann.
    »Reißt es ab!«, schrie er. »Reißt es doch ab! Mein Bein!«
    McMudock packte mit beiden Händen zu, aber nicht einmal ihren vereinten Kräften gelang es, den Strang herabzureißen. Rowlfs Stöhnen wurde lauter. Sein Gesicht lief rot an und auf dem Stoff seiner Hose erschienen dunkle Flecken. »Schneidet es ab!«, schrie er. »Um Gottes willen, Howard, schneid es ab! Es bringt mich um!«
    Howard stieß McMudock grob beiseite und kniete neben Rowlf nieder. In seiner Hand blitzte ein langes, zweischneidiges Messer. Mein Herz machte einen schmerzhaften Sprung, als ich sah, wie er die Spitze auf dem dünnen Strang ansetzte. Er würde Rowlfs Bein verletzen, wenn er versuchte, das Ding herunterzuschneiden.
    Aber er tat es nicht. Die Spitze des Dolches ritzte die beinharte Oberfläche des Wurzelfingers nur ganz leicht.
    Eine halbe Sekunde lang geschah gar nichts. Dann begann der Wurzelstrang zu zucken wie ein Wurm. Sein tödlicher Würgegriff lockerte sich. Mit einem letzten, krampfartigen Zucken rutschte er von Rowlfs Bein, fiel auf den Boden – und begann zu grauem Staub zu zerfallen …
    Rowlf schrie auf, fiel nach hinten und blieb, beide Hände gegen sein rechtes Bein

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