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Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Augen krochen in die Höhlen zurück und schienen mich satanisch anzufunkeln. Gleichzeitig setzte ein feines Singen ein, ein hoher, schriller Ton, der von überallher zu kommen schien, sich zu einem hellen Kreischen steigerte und mit einem peitschenden, splitternden Knall abbrach.
    Der Spiegel barst. Ein Hagel silberner Glassplitter überschüttete mich, Dutzende scharfkantiger, winziger Raubtierzähne bissen in mein Gesicht. Ich merkte es nicht einmal. Noch immer hielt mich das Grauen gepackt und schnürte mir unbarmherzig die Luft ab. Der Nachhall der Explosion drohte meinen Verstand mit sich zu reißen.
    Mein Denken war wie gelähmt, aber in meinem Inneren bäumte sich ein starkes, wildes Gefühl auf. Eine Saite, zum Zerreißen gespannt, mehr war ich in diesem Augenblick nicht, und doch wusste ich, dass es nichts weiter als eine Illusion gewesen war, gewesen sein musste …
    Der Schmerz und die grausige Verwandlung, die Furcht – alles war nichts als Einbildung, eine perfekte, tödliche Illusion.
    Meine Fingerspitzen fuhren wie von selbst über den Spiegelrahmen, und dann, ganz plötzlich, hatte ich wieder ein Bild vor Augen: das Bild einer jungen Frau, fast noch ein Mädchen. Fassungslos starrte ich auf das Gesicht, begriff nicht, was ich da sah, starrte nur in dieses Gesicht und bemerkte nicht die Ähnlichkeit der Haare mit der Form des Totenschädels, die gleiche Schwärze und das gleiche Wallen, das mich noch vor Sekunden gelähmt hatte. Dann …
    »Priscylla«, krächzte ich.
    Die braunen, ausdrucksvollen Augen musterten mich mit einer Kälte, die ich nur zu gut kannte, und die mich doch im gleichen Maße erschreckte wie beim ersten Mal. Das war nicht Priscylla, meine süße, kleine Priscylla, das war Lyssa, die Hexe, die noch immer in ihr schlummerte und die mich schon einmal hatte vernichten wollen.
    Aber wie war das möglich? Howard hatte mir versichert, glaubhaft versichert, dass sie keinen Schaden mehr anrichten konnte, dass sich seine Freunde ihrer annehmen und sie isolieren würden. Und er hatte geschworen, dass ihr kein Leid zugefügt werden würde.
    Aber das, was ich jetzt sah, sprach all seinen Beteuerungen Hohn.
    »Priscylla!«
    Diesmal schrie ich fast. Meine Hände, die auf den dünnen Latten des Rahmens gelegen und so fest zugedrückt hatten, dass das Holz knirschte, wollten sich in ihr Haar graben, aber irgendetwas hielt mich zurück.
    »Robert.«
    Es war kein gesprochenes Wort, keine Stimme. Es war wie eine unsichtbare, unwiderstehliche Kraft, die durch die Luft peitschte, mir meinen Namen entgegenschleuderte, meinen Willen brach und mich zurücktaumeln ließ wie durch einen Faustschlag.
    »Robert«, wiederholte die Kraft. Ich schlug die Hände vor die Ohren, keuchte und kämpfte mühsam gegen den Wahnsinn, der seine Finger nach mir ausstreckte.
    »Robert! Hör mir zu!«
    Ich taumelte, griff ziellos in die Luft und wäre fast gestürzt. Das Zimmer begann sich vor meinen Augen zu drehen und verschwamm; einzig den Spiegel und das schmale Mädchengesicht vermochte ich noch klar zu erkennen. Aber es begann sich zu verändern.
    Priscyllas schönes, mädchenhaftes Antlitz verzerrte sich zu einer Grimasse des Schreckens, und einen Moment lang fürchtete ich, dass es sich abermals in den grauenhaften Totenschädel verwandeln würde.
    Aber dann fing sie sich. Das Bild stabilisierte sich und gewann wieder an Festigkeit, und ihre Mundwinkel verzogen sich sogar zur Andeutung eines Lächelns. Eines kalten, eisigen Lächelns, das beinahe schlimmer war als der Anblick des Totenschädels zuvor.
    »Robert«, flüsterte die Kraft, als hätte sie gemerkt, dass ich dem Ansturm ihrer geballten Gewalt nicht mehr lange standhalten konnte. »Hilf mir. Er will mich holen. Hilf mir. Rette mich. «
    Ich wollte antworten, aber meine Kehle fühlte sich ausgetrocknet und verkrampft an, ein einziger Klumpen aus Schmerz, der mir den Gehorsam verweigerte. Ich schluckte mühsam, räusperte mich, und versuchte es dann noch einmal. Diesmal ging es, wenn auch nur unter Schmerzen.
    »Wo … wo bist du?«, brachte ich hervor.
    Priscyllas Mundwinkel zuckten. Sie musterte mich traurig, ein Mädchengesicht in einem Rahmen, der kein Fenster und kein Gemälde einrahmte, und ich wusste in diesem Augenblick nur, dass ich sie liebte, unbändig liebte, immer noch.
    Mir war egal, wer oder was sie war und was sie getan hatte. Ich spürte nichts als das starke Gefühl, das zwischen uns war und uns für immer aneinanderketten würde, die

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