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Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schien Ewigkeiten her zu sein, dass ich Sean zum letzten Mal gesehen hatte, und doch waren in Wirklichkeit nicht mehr als ein paar Monate vergangen. Seine Worte sagten mir, dass er sich nicht mehr an unsere Begegnung erinnern konnte. Aber vielleicht war er es auch nicht gewesen, mit dem ich in Durness gesprochen hatte …
    Wie mein Vater Macht über einen Körper – oder einen Geist – erlangt hatte, um mit mir in Verbindung zu treten, war mir bis heute unklar. Er war nicht nur einmal in der Gestalt eines anderen aufgetreten, aber das Erlebnis mit Sean war besonders einprägsam gewesen. Es war verwirrend, jetzt vor diesem Mann zu stehen, den ich einerseits gut zu kennen glaubte, und der doch andererseits ein Fremder war …
    Aber jetzt war weder der rechte Augenblick, noch der richtige Ort, um sich darüber Gedanken zu machen. Die Vision der Rattenfrau hatte sich zwar verflüchtigt, aber in dem Nebel, der noch immer zu beiden Seiten des Pfades wallte, konnte noch so manche Überraschung auf uns lauern.
    »Ich warte auf eine Antwort«, knurrte Sean.
    Die Mündung seines Revolvers bewegte sich fast unmerklich ein Stück nach oben.
    »Stecken Sie erst dieses Ding da weg«, sagte ich. »Oder glauben Sie etwa ernsthaft, ich wollte Sie angreifen?«
    Sean kniff die Lippen zusammen und ließ den Revolver widerstrebend sinken. »Sie vielleicht nicht. Aber …«
    »Aber was?«, fragte ich rasch.
    »Ach, nichts.« Er zögerte einen Moment, bevor er weitersprach. »Dieses Ding …« Er zuckte mit den Achseln. »Zuerst dachte ich, es sei ein Bär. Ein großes Vieh, aber zu dünn für einen Bär und auch das Fell stimmte nicht. Sie müssen es doch auch gesehen haben. Es ist doch direkt auf Sie zugelaufen.«
    Ein ungläubiger Schrecken durchfuhr mich. Dann war es also mehr als ein Trugbild gewesen, mehr als das Resultat meiner überreizten Phantasie.
    »Mein Gott«, flüsterte ich. »Sie haben es also auch gesehen?«
    Sean nickte, und plötzlich begriff ich, warum er geschossen hatte.
    »Was war das?«, fragte er. »Ich habe so etwas noch nie gesehen.«
    »Ich auch nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Aber wenn Sie mich fragen: Setzen wir unser Gespräch lieber woanders fort. Wer weiß, was sich noch alles im Nebel verbirgt.«
    Sean nickte, langsam und zögernd. »Und Sie wissen nicht, was das war?«, fragte er misstrauisch.
    Ich zuckte mit den Achseln. »Was weiß ich? In dieser Suppe kann man sowieso nicht viel erkennen. Vielleicht war es ein Bär, vielleicht auch nicht.«
    Sean schüttelte ärgerlich den Kopf. »Sie wissen mehr, als Sie zugeben wollen«, behauptete er. »Und jetzt versuchen Sie sich geschickt davor zu drücken, mir zu sagen, woher Sie mich kennen. Aber lassen wir das. Zumindest für einen Moment. Wohin wollten Sie eigentlich?«
    »Spazieren gehen«, sagte ich rasch. »Ich bin fremd hier und habe mich wohl etwas verlaufen.«
    Sean wischte meine Worte mit einer ärgerlichen Bewegung zur Seite.
    »Versuchen Sie nicht, mich zum Narren zu halten«, fuhr er mich an. »Zu dieser Zeit und bei diesem Wetter spazieren zu gehen, ohne sich in der Gegend auszukennen, ist doch Wahnsinn. So dumm sind Sie nicht. Und ich bin nicht so dumm, Ihre Geschichte zu glauben!«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Wie Sie meinen. Was suchen Sie denn eigentlich hier?«
    Sean funkelte mich einen Herzschlag lang ärgerlich an, aber dann verzog sich sein Gesicht zu einem breiten Grinsen. Ich ahnte, dass er genauso wenig wie ich eine überzeugende Erklärung für seinen nächtlichen Spaziergang hatte.
    »Okay, lassen wir das. Wie sagten Sie doch so treffend? Hier ist nicht der rechte Ort für Diskussionen. Außerdem habe ich noch etwas zu erledigen. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie mich bis zum Ende des Waldpfads begleiten, aber dann werden sich unsere Wege trennen.«
    Ich atmete tief ein. »Einverstanden«, sagte ich.
    Es war mir klar, dass die Begegnung mit Sean kein Zufall war, dass irgendetwas dahinter steckte, was sich jetzt noch nicht absehen ließ. Etwas, das mit meinem toten Vater zu tun hatte.
    Aber hatte Andara bei unserer letzten Begegnung nicht angekündigt, dass wir uns so bald nicht mehr wiedersehen würden? War das nun wirklich Sean, der da vor mir stand, oder war es wieder mein Vater, der sein eigenes Spiel spielte und mir trotz seines Todes schon wiederholt beigestanden hatte?
    Ich wollte mich in Bewegung setzen, aber Sean hielt mich am Ärmel fest. »Nicht hier lang«, sagte er. »In die andere Richtung.«
    Ich

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