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Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Titel: Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Kreis aus brodelndem Wasser hinein.
    Der Fluss zog und zerrte mit unsichtbaren Händen an mir, die Strömung schlug wie mit Fäusten auf mich ein und der wirbelnde Sog wollte mich abermals ergreifen und in die Tiefe zerren. Das Wasser wurde warm, dann heiß, aber ich schwamm weiter, keuchend vor körperlicher und geistiger Anstrengung.
    Rings um mich herum siedete das Wasser und aus der Tiefe stiegen immer wieder sprudelnde Ströme noch heißeren Wassers auf, als wäre auf dem Grund des Miscatonic ein Vulkan ausgebrochen. Der heiße Dampf verbrühte fast mein Gesicht und schnitt wie flüssiges Feuer in meine Lungen, wenn ich atmete, aber ich kämpfte mich weiter, stemmte mich gegen die unsichtbaren Hände, die mich zurückstoßen wollten.
    Mit einem winzigen, klar gebliebenen Teil meines Denkens begriff ich, dass ich längst hätte tot sein müssen. Das Wasser, in dem ich schwamm, hatte den Siedepunkt erreicht und die Schläge, die mir der Fluss versetzte, waren die gleichen, die zuvor unser Boot zerschmettert hatten. Irgendetwas schützte mich …
    Aber ich hatte nicht die Zeit, den Gedanken weiter zu verfolgen. In meinen Ohren gellten noch immer Shannons verzweifelte Hilferufe, vielleicht nur noch eingebildet, denn er musste längst tot sein, verbrüht und zerschmettert von den Gewalten, die rings um uns in den Wassern tobten. Aber ich schwamm weiter, kämpfte mich zäh und halb blind vor Schmerz weiter und auf die Stelle zu, an der er sein musste.
    Dann sah ich ihn.
    Er lebte noch, aber seine Bewegungen waren bereits merklich schwächer geworden, und sein Gesicht und seine Hände schienen eine einzige, fürchterliche Brandwunde zu sein.
    Mit einer letzten Anstrengung warf ich mich vor, schrie seinen Namen und streckte die Hände nach ihm aus.
    Eine unsichtbare Faust traf mich, schleuderte mich zurück und drückte mich mit grausamer Kraft in den Fluss. Ich schluckte Wasser, kämpfte mich wieder an die Oberfläche und rang keuchend nach Luft.
    Direkt vor mir spritzte der Fluss auseinander, als hätte ihn ein titanischer Hammerschlag getroffen. Die Druckwelle schleuderte mich weiter zurück, weiter fort von Shannon, und wieder dauerte es Sekunden, ehe ich mich an die Oberfläche gerungen und wieder Luft bekommen hatte.
    Shannons Bewegungen hatten fast aufgehört. Sein Gesicht war von Schmerz und Anstrengung verzerrt, aber sein Blick war sonderbar leer. Er sah mich an, aber er reagierte nicht, als ich seinen Namen schrie und die Hand ausstreckte. Dann fiel er nach hinten und begann unterzugehen.
    Ich warf mich nach vorne, atmete tief ein und tauchte hinter ihm her.
    Sein Körper zeichnete sich als dunkler Schatten unter mir ab, wie eine Gliederpuppe, die haltlos in der Strömung treibt. Er sank, viel schneller, als es normal war, fast, als würde ihn etwas in die Tiefe zerren, und aus seinem offenen Mund stieg Luft in glitzernden Blasen.
    Ich bekam seinen Arm zu fassen und kämpfte mich wieder zur Oberfläche empor.
    Aber die gleiche Kraft, die Shannon in die Tiefe gezerrt hatte, versuchte mich nun am Auftauchen zu hindern. Unsichtbare Hände zerrten an meinen Beinen, rissen und zogen an Shannons Körper und versuchten ihn meinem Griff zu entwinden.
    Und dann, ganz plötzlich, ließ der Druck nach. Ich schoss regelrecht nach oben, durchbrach die Wasseroberfläche und zog Shannons reglosen Körper mit mir.
    Das Wasser hatte aufgehört zu kochen und der bizarre Amoklauf des Miscatonic hatte uns auf weniger als fünfzig Meter an sein jenseitiges Ufer getrieben.
    Ich war völlig entkräftet, als ich das Ufer erreichte. Mit letzter Anstrengung kroch ich auf den schmalen Sandstreifen hinauf. Ich zerrte Shannon, der plötzlich Tonnen zu wiegen schien, so weit aus dem Fluss, dass sein Gesicht und Oberkörper aus dem Wasser waren, und brach vollends zusammen.
    Minutenlang lag ich reglos und mit pfeifenden Lungen da, rang nach Atem und kämpfte gegen die schwarze Woge an, die meine Gedanken verschlingen wollte.
    Schließlich stemmte ich mich wankend auf Hände und Knie hoch, wandte mich um und sah aus tränenden Augen zu Shannon hinüber.
    Er lag noch genauso da, wie ich ihn zurückgelassen hatte: verkrümmt, das Gesicht halb im feuchten Sand vergraben, Arme und Beine in grotesken Winkeln abgespreizt und mit geschlossenen Augen. Was sich verändert hatte, war das Ufer selbst.
    Der Anblick war grauenhaft und faszinierend zugleich. Der Sand, auf dem Shannon lag, schien auf bizarre Weise zum Leben erwacht zu sein. Kleine

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