Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
nicht einmal bemerkt hatte, wie der Bruder den Raum betreten hatte. Seltsam, dachte er. Seine Konzentration schien nachzulassen, seit er diese bizarre Festung am Ende der Welt betreten hatte. Es war nicht nur ihr Äußeres, das ihn irritierte, es war auch etwas in ihr, das er sich nicht erklären konnte. Etwas Gefährliches. Auch seine Brüder wirkten zunehmend nervöser und fahriger.
Er vertrieb den Gedanken, straffte sich und strich mit der Linken eine Falte aus seinem weißen Zeremonienmantel, während er den Bruder ansah. »Ja?«
»Necron erwartet Euch«, sagte der Bruder. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber in seinen Augen loderte die Furcht. Sie alle hatten Angst vor Necron. Auch DeVries selbst – aber das gestand er nicht einmal sich selbst gegenüber ein.
Er nickte und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
Graues Dämmerlicht umgab ihn, während er mit raschen Schritten den niedrigen Gang hinunterging. Die Festung war voller unheimlicher Geräusche und ab und zu glaubte er mit dem Wind ein sonderbar klagendes Singen heranwehen zu hören.
Er schauderte. Vom ersten Moment an war ihm die Drachenburg unheimlich gewesen. Der Ordensmeister hatte ihm eingeschärft, höflich und zuvorkommend zu seinen Gastgebern zu sein und sich nichts von seinen Ängsten und Befürchtungen anmerken zu lassen, und DeVries bemühte sich nach Kräften, seinem Befehl nachzukommen. Aber das änderte nichts daran, dass er im Innersten felsenfest davon überzeugt war, dass Necron und seine Jünger mit dem Satan im Bunde waren.
Necron erwartete ihn in seinem Gemach, auf seinem mächtigen Thronsessel sitzend, und wie immer sah er aus, als hätte er sich die letzten fünfzig Jahre kaum bewegt. Ein alter, uralter Mann, der schon vor einem Jahrhundert hätte sterben sollen. Das Einzige, was an ihm noch wirklich lebte, waren die Augen. DeVries hatte noch nie einen so alten Menschen gesehen.
Und noch nie einen, der eine so körperlich fühlbare Macht ausstrahlte.
Er wartete, bis die Wächter die Tür hinter ihm geschlossen hatten, ging auf Necron zu und setzte sich, als der alte Mann eine auffordernde Handbewegung machte.
»Hattet Ihr eine gute Nacht, DeVries?«, erkundigte sich Necron. Seine Stimme stand in krassem Widerspruch zu seinem Äußeren – sie war stark und fest und klang wie die eines jungen Mannes. DeVries nickte.
»Ihr habt mich rufen lassen, Necron. Habt Ihr … Neuigkeiten von Shannon?«
»Ja.« Necrons Miene verdüsterte sich, wenn auch nur für einen Moment. »Aber keine guten.«
»Keine guten?« DeVries runzelte die Stirn. »Ist er tot?«
Aus irgendeinem Grund schienen seine Worte Necron zu amüsieren, denn der Alte lächelte plötzlich. »Tot? Nein, mein Freund – tot ist er nicht. Aber es ist, wie ich Euch gestern schon sagte. Die Dinge entwickeln sich anders, als wir voraussehen konnten.«
»Was soll das heißen?« Plötzlich schwang ein hörbar misstrauischer Ton in seinen Worten. »Wir haben unseren Teil der Abmachung erfüllt. Jetzt erfüllt auch Ihr Euer Versprechen.«
Ein sonderbares Licht glomm in Necrons Augen auf. »Robert Craven lebt noch«, sagte er.
»Das ist Euer Problem«, gab DeVries hart zurück. Wut erfüllte ihn, Wut auf diesen alten Mann, der glaubte, ihn zum Narren halten zu können. »Es ist nicht unsere Schuld, wenn Euer Mann es nicht schafft, ihn zu vernichten. Wir haben einen Handel vereinbart – Ihr und mein Herr, in dessen Auftrag ich hier bin. Unseren Teil haben wir erfüllt, Necron.«
»Das stimmt.« Der alte Mann betonte seine Worte auf seltsam lauernde Art, und DeVries sah alarmiert auf. »Aber je länger ich darüber nachdenke«, fuhr Necron fort, »desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass der Handel, den Ihr im Sinn hattet, von vornherein nicht ganz fair war. Ihr habt mir vieles verschwiegen.«
DeVries biss sich auf die Lippen, aber er schluckte die wütende Antwort, die ihm auf der Zunge lag, noch einmal herunter und sagte mühsam beherrscht: »Was wollt Ihr damit sagen, Necron?«
»Ich will damit sagen«, antwortete der alte Mann, »dass die Existenz von Lovecraft und seine Geschichte« – er lächelte, als er DeVries’ Erschrecken bemerkte, und legte eine Pause ein, um seinen Worten das gehörige Gewicht zu verleihen – »alles in einem anderen Licht erscheinen lässt.«
»Ihr … wisst von Bruder Howard?«, stammelte DeVries.
Necron nickte. »Haltet mich nicht für einen Narren, DeVries«, sagte er in beinahe gelangweiltem Ton. »Nur weil ich ein alter Mann
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