Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire
besitzen wir doch eine gewisse Gier nach solchen Dingen und zum anderen ist es für mich ein symbolischer Akt, der die Verbindung zur Welt von draußen aufrecht erhält«, bemerkte Morjaerd so höflich, wie ich es von ihm nicht erwartet hätte. Gleichzeitig war ihm deutlich anzumerken, wie sehr er mich um meinen Appetit beneidete.
Trotzdem griff ich nach Kräften zu und aß und trank; zuerst schnell und beinahe überhastet, dann, nachdem der erste quälende Hunger und Durst gestillt war, langsamer. Schließlich schob ich den Teller zurück, nickte Sten noch einmal dankbar zu und wandte mich an Morjaerd.
»Also«, sagte ich »jetzt wird es Zeit, dass Sie mich über dieses … Labyrinth aufklären, finden Sie nicht?«
Der Däne verzog sein Gesicht zu einer Grimasse hilflosen Zorns und starrte mich aus seinen glasig wirkenden Augen an. Dann stellte er sein Weinglas heftig auf den Tisch und nickte.
»Das sollen Sie erfahren, Robert Craven. Von Anfang an. Ich weiß, Sie sind wie auch Ihr Freund Howard in London ein reiner Dilletant und kaum je mit den wesentlichsten Geheimnissen der Magie in Berührung gekommen. Daher werde ich mit meinen früheren Erlebnissen beginnen, bevor ich auf das Labyrinth zu sprechen komme. Da Sie in London Zugang zu Zirkeln hatten, die sich oberflächlich mit okkulten Wissenschaften befassen, haben Sie vielleicht schon einmal den Begriff der GROSSEN ALTEN gehört.«
Ich musste mich beherrschen, um nicht vor Überraschung aufzuspringen. Was redete dieser Morjaerd von Dingen, mit denen mein Schicksal so eng verknüpft war? Aber ich beherrschte mich im letzten Moment. Was ich darüber wusste, ging ihn natürlich nichts an und angesichts seiner Arroganz beschloss ich, den Laien, in magischen Dingen zu spielen.
»Die GROSSEN ALTEN?« Ich tat so, als müsse ich überlegen, wo und in welchem Zusammenhang ich dieses Wort schon gehört hatte. Dann nickte ich. »Ja, gehört habe ich den Begriff schon einmal«, sagte ich mit harmlos klingender Stimme.
Morjaerd warf mir einen halb zufriedenen, halb verächtlichen Blick zu und begann zu erklären: »Die GROSSEN ALTEN existierten vor vielen Millionen Jahren. Sie waren damals die Herren der Erde und besaßen ein Wissen, das die Menschheit auch in tausenden von Jahren nicht erreichen wird. Doch im Verlauf der Zeit verschwanden die GROSSEN ALTEN von der Erde. Es gibt heutzutage nur noch einige wenige, meist magisch befähigte Dinge, die von ihnen stammen. Bei einer Seance in London«, fuhr er fort, »natürlich nicht bei dieser lächerlichen Sitzung im Haus der Lady Lyssonhall, wo ich das Medium spielte, sondern bei einer Sitzung erfahrener und mächtiger Kenner der Magie, kam ich einem dieser Relikte auf die Spur. Als Standort machte ich die Van Dengsterstraat in Amsterdam ausfindig.«
Morjaerd machte eine Pause und sah mich gespannt an.
Ich versuchte, dem Okkultisten noch weitere Informationen zu entlocken und lachte spöttisch auf. »Aber das sind doch nur Märchen!«
Morjaerd fuhr zornig von seiner Obstkiste hoch. »Sie nichtsnutziger Grünschnabel! Schweigen Sie wenigstens, wenn Sie schon nichts von diesen Dingen verstehen! Würde es sich nämlich wirklich um ein Märchen handeln, dann säßen wir beide nicht hier!«
»Also gut«, sagte ich, um die Sache nicht auf die Spitze zu treiben. »Selbst wenn Sie Recht hätten – welche Konsequenzen hätte das für uns?«
»Die schlimmsten! Es sei denn, es gelingt mir, die Sache zum Guten zu wenden«, antwortete Morjaerd im Vollgefühl seiner Überlegenheit. »Doch bevor ich auf meine Pläne zu sprechen komme, will ich meinen Bericht zu Ende bringen. Also, ich erfuhr in London von diesem Relikt der GROSSEN ALTEN und erkannte auch sofort, dass um dieses … Versteck herum Gefahren lauerten, mit denen selbst so ein geübter Magier wie ich zu rechnen hätte. Ich traf sofort die Vorbereitungen für diese ungewöhnliche Expedition und machte mich mit meinem getreuen Diener auf den Weg hierher. Wir erreichten glücklich die Van Dengsterstraat und drangen in das Labyrinth ein. Schon nach kurzer Zeit wurden wir von Adurias und seinen Kreaturen angegriffen. Es gelang mir jedoch mit meinen Kräften, ihre Angriffe abzuwehren. Mit Hilfe meines magischen Kompasses drangen wir immer tiefer in das Labyrinth ein und erreichten schon bald jenes kuppelförmige Ding, welches das Herz dieses magischen Irrgartens bildet. Ich begann mit einem Ritual, welches mir das Versteck eines … äh … gewissen Buches eröffnen sollte
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