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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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brannte sich das Bild in mein Bewusstsein ein und verstärkte die Angst noch, die in meiner Seele wühlte.
    Umständlich wechselte ich das in braunes Packpapier eingeschlagene Paket vom linken in den rechten Arm und löste mich aus meiner Deckung. Ich ging nicht quer über den Platz, sondern umkreiste ihn, bemüht, stets im Schatten der Häuser zu bleiben.
    Nicht dass es etwas genutzt hätte, darüber war ich mir im Klaren. Necron war nicht darauf angewiesen, mich zu sehen. Wahrscheinlich wusste er schon lange, dass ich auf dem Wege war.
    Aber was ich tat und was ich dachte, stand nicht mehr im Einklang. Ich wollte nur noch dorthin, in dieses Haus am anderen Ende des Platzes, in dem der irrsinnige Magier auf mich wartete und Howard und Priscylla in seiner Gewalt hatte. Er würde mich töten, dessen war ich mir sicher. Aber in diesem Moment war es mir vollkommen gleich, was mit mir geschah. Alles, was ich wollte, war, Priscyllas Leben zu retten.
    Der Weg kam mir viel weiter vor als sonst und das Buch schien mit jedem Schritt schwerer zu werden. Eine dünne, aufdringliche Stimme in meinen Gedanken flüsterte mir zu, dass mein Vorhaben vollkommener Wahnsinn war. Necron würde mich töten, das Buch nehmen und Howard und Priscylla umbringen. Aber ich konnte nicht zurück. Der logische Teil meines Denkens war ausgeschaltet, machtlos, nicht mehr als eine Stimme, die kein Gehör mehr fand.
    Alles, woran ich denken konnte, war Priscylla, meine liebe, kleine Pri, die in der Gewalt dieses Ungeheuers war.
    Vor dem Gartentor hielt ich noch einmal an. Das schmiedeeiserne, drei Meter hohe Gitter war nur angelehnt und für einen Moment bildete ich mir ein, hastig tapsende Schritte und das Hecheln von Atemzügen zu hören. Aber ich war allein. Was ich hörte, war nur meine Einbildung.
    Das Haus ragte wie ein Berg aus Schwärze vor mir auf, als ich das Gitter aufschob und auf den breiten, kiesbestreuten Weg trat, der zum Eingang hinaufführte. Hinter den bemalten Bleiglasfenstern rechts und links des Portals glomm gelbes Licht und auch das Fenster der Bibliothek im ersten Stock war erleuchtet. Aber die Lichter wirkten verloren; das Haus war zu einer Festung des Bösen geworden. Zu einem Grab.
    Meinem Grab.
    Ich schob das Gitter hinter mir zu, straffte die Schultern und ging mit festen Schritten auf das Haus zu. Necron erwartete mich. Ich konnte seine Blicke spüren.
    Irgendwo links von mir raschelte etwas in den Büschen. Ich glaubte einen Schatten zu sehen, blieb stehen, sah mich erschrocken um – und erstarrte.
    Eine Gestalt trat neben mir aus den Büschen; ein Mann wie ein Koloss, groß, massig, mit einer glänzenden Stirnglatze.
    »Tornhill!«, keuchte ich.
    Er nickte. Der Revolver in seiner Hand richtete sich langsam auf meine Stirn. Sein Zeigefinger spannte sich um den Abzug.
    »Schön, dass Sie mich wenigstens noch erkennen, Craven«, sagte er kalt. »Aber ich weiß nicht, ob Sie sich lange darüber freuen werden!«
    »Wie … wie kommen Sie …«, stotterte ich, brach verwirrt ab und blickte mich wild um. Schlagartig wurde mir klar, dass die Schritte und Atemzüge, die ich gehört hatte, alles andere als Einbildung gewesen waren. Tornhill war nicht allein gekommen.
    »Wie ich hierher komme?«, fragte Tornhill. »Sie haben Pech gehabt, Craven. Ihr Schlag war nicht fest genug, mich umzubringen.«
    »Ich habe Sie nicht … Sie sind gegen die Wand …«
    »Jemand vom Krankenhauspersonal hat mich gefunden«, fuhr er ungerührt fort. »Nur ein paar Minuten, nachdem Sie geflohen waren. Pech für Sie. Um ein Haar hätte es geklappt.« Ein boshaftes Lächeln erschien auf seinen Zügen. »Genau genommen haben Sie mir sogar einen Gefallen getan, Craven«, sagte er mit einer Kopfbewegung auf das Buch. »Sie haben es ja selbst gesagt – ich allein hätte den Band nicht einmal berühren können. Aber jetzt haben Sie den Schutzzauber ja wohl aufgehoben, oder?«
    Hinter ihm raschelte etwas in den Büschen und eine zweite Gestalt trat auf den Weg hinaus. Wie Tornhill war sie in Mantel und Hut gekleidet, nicht in die Uniform eines Polizeibeamten, wie ich halbwegs erwartet hatte. Der Mann war groß und sehr schlank und bewegte sich mit der katzenhaften Geschmeidigkeit eines hochtrainierten Sportlers. In seiner rechten Armbeuge lag eine Winchester mit Zielfernrohr.
    »Wie ich sehe, haben Sie Ihre Spezialeinheit zusammengetrommelt«, sagte ich bitter. »Halten Sie immer noch an ihrem Wahnsinnsplan fest, Tornhill?«
    Tornhill nickte ungerührt.

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