Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire
gefeiert, wenn sie mit dem Buch als Beute zurückkommen. Aber in Wahrheit waren sie hinter Howard her. Seit Monaten.«
»Hinter … Howard?«, stotterte ich. »Aber was … was wollen sie von ihm?«
»Seinen Kopf«, sagte Rowlf trocken. »Und nicht nur bildlich gesprochen. Sie und ihre … Brüder verfolgen Howard seit Jahren.«
Das unmerkliche Zögern in seinen Worten entging mir keineswegs. »Brüder?«, wiederholte ich. »Was meinst du damit, Rowlf?«
»Du weißt nicht viel über Howard, nicht?«, fragte er anstelle einer Antwort. Ich schüttelte den Kopf, und Rowlf füllte sein Glas ein drittes Mal, ehe er antwortete. Ich hatte ihn selten zuvor so viel in so kurzer Zeit trinken sehen; ein deutlicher Beweis für seine Nervosität. »Sie haben ihn um die halbe Welt gejagt«, begann er, »in dem letzten Jahr, in dem du die Bücher deines Vaters studiert hast. Vielleicht hätten wir eine Weile Ruhe vor ihnen gehabt, wenn wir in Arkham geblieben wären.«
»Sie? Wer sind sie?«, fragte ich.
»Die … diese Männer«, antwortete Rowlf stockend. »Van der Groot und seine sogenannten Brüder. Es ist … eine Art Organisation. Ein … Bund wie …«
»Eine Loge?«, half ich aus.
Rowlf nickte. »Man könnte es so nennen. Ich weiß selbst nicht mehr darüber als ein paar Andeutungen, die Howard einmal entschlüpft sind. Ich habe ihn erst kennen gelernt, als er bereits auf der Flucht vor ihnen war.«
»Aber warum?«, fragte ich. »Wer sind diese Männer und warum verfolgen sie Howard?«
»Weil er einmal zu ihnen gehört hat«, antwortete Rowlf. »Er war selbst Mitglied bei den …« Wieder stockte er und starrte einen Moment in sein Glas, dann fuhr er fort: »Bei diesen Leuten eben. Ich kann dir nicht mehr darüber sagen, aber sie sind mächtig, Robert.«
»Wenn sie mächtig genug sind, selbst Howard Angst einzujagen, dann müssen sie sehr mächtig sein«, sagte ich halblaut.
Rowlf nickte. »Das sind sie. Und sie haben Howard zum Tode verurteilt, schon vor Jahren. Van der Groot und sein Spießgeselle waren nichts als Henker.«
»Van der Groot sitzt im Gefängnis«, sagte ich. »Und der andere ist tot.«
»Und?« Rowlf machte eine wegwerfende Geste. »Sie werden andere schicken.«
»Ist das der Grund, aus dem Howard packt?«, fragte ich. »Weil er Angst hat, dass sie ihn -«
»Angst?«, keuchte Rowlf. »Bist du bescheuert, Kleiner? Howard und Angst?« Er schnaubte, stellte sein Glas mit einem Ruck auf den Tisch und trat erregt einen Schritt auf mich zu. »Verdammt, wenn er Angst hätte, dann wäre ich jetzt nicht hier. Ich wäre froh, wenn es so wäre! Glaubst du, es würde mir etwas ausmachen, wieder vor ihnen davonzulaufen? Wir haben zehn Jahre Verstecken mit diesen Hunden gespielt. Nein, Howard hat keine Angst. Im Gegenteil.«
»Aber was … was willst du dann von mir?«, fragte ich verwirrt.
»Howard hat sich entschlossen, nicht länger vor ihnen davonzulaufen«, sagte Rowlf düster. »Das ist das Problem, verstehst du? Er will zu ihnen.«
»Er will -«
»Nach Paris«, bestätigte Rowlf. »Er hat gesagt, dass es keinen Sinn mehr hätte, davonzulaufen. Er will sich ihnen stellen. Und sie werden ihn umbringen.« Plötzlich klang seine Stimme erregt, beinahe beschwörend. »Sprich du mit ihm, Robert. Auf mich hört er nicht mehr, aber vielleicht auf dich! Du musst ihm diesen Wahnsinnsplan ausreden! Er glaubt, er könnte mit ihnen sprechen, aber ich weiß, dass sie ihn nicht einmal anhören werden!«
»Aber wie soll ich -«
Der Rest meiner Worte ging in einem markerschütternden Schrei unter, der aus dem Garten heraufscholl.
Der Mann wankte, griff mit unsicheren, fahrigen Bewegungen nach der einsam dastehenden Gaslaterne, verfehlte sie und schlug schwer auf dem Gehsteig auf. Zwei, drei Sekunden lang blieb er reglos liegen, dann stemmte er sich taumelnd hoch, wankte wie ein Halm im Sturm hin und her und versuchte einen Schritt zu machen. Prompt verlor er abermals das Gleichgewicht und fiel erneut, diesmal aber nur auf die Knie.
Seffinger beobachtete sein Treiben nun schon eine ganze Weile. Der Bursche musste mehr als nur einen über den Durst getrunken haben, dachte er, während er zusah, wie sich der Mann erneut aufzurichten versuchte. Er war vor einigen Minuten aus der Dunkelheit aufgetaucht und zielstrebig auf das Gefängnis losmarschiert, schien aber dann die Orientierung verloren zu haben. Seither umkreiste er die Laterne und konnte sich offensichtlich nicht entschieden, in welcher Richtung er
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