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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Wer immer Sie sind, Sir, ich kann das nicht durchgehen lassen!«
    »Kannschtdunisch?«, kicherte der Betrunkene. »Dann unternimm doch wasch! Verteidige deine Krone doch!« Er stemmte sich hoch, brachte das Kunststück fertig, einen Moment aus eigener Kraft aufrecht zu stehen und hob kampflustig die Fäuste.
    Mort Seffinger kam zu einem Entschluss. Es war ihm gleich, wer dieser dunkelhäutige Ausländer war. Und sollte es der König von Mesopotamien persönlich sein – niemand beleidigte das Königshaus ungestraft in seiner Gegenwart. Niemand.
    Mit einer raschen Bewegung zog er seine Pfeife aus der Tasche und blies dreimal hintereinander hinein. In spätestens einer Minute würde Cowley bei ihm sein, zumal er die ganze Szene unter Garantie durch das Fenster verfolgt hatte.
    Der Betrunkene hob den Kopf und stierte blöde in die Runde. »Waschnlosch?«, nuschelte er. »Schon … schon Zeit zum Aufschtehn?«
    »Nein«, antwortete Seffinger böse. »Im Gegenteil, mein Freund – Sie können weiterschlafen. Wir haben eine Menge gemütlicher Zimmerchen in unserem Hotel, wissen Sie? Und eins davon ist ganz speziell für Sie reserviert!«
    Mit einem triumphierenden Lächeln steckte er die Pfeife wieder in die Tasche, zog fröstelnd die Schultern hoch und warf einen Blick über die Schultern zurück, um nachzusehen, wo Cowley blieb.
    Hätte er in diesem Moment das Gesicht des Betrunkenen gesehen, wäre ihm vielleicht das rasche, triumphierende Lächeln aufgefallen, das um seine Lippen spielte.
    Aber er hätte es kaum verstanden.
     
    Rowlf erstarrte. »Was war das?«, keuchte er. »Wer hat da -«
    Wieder erscholl dieser grässliche, gellende Schrei von unten, dann hörten wir ein dumpfes Poltern.
    Rowlf fuhr herum und stürmte aus dem Raum, und auch ich sprang auf und lief hinter ihm her, so schnell ich konnte.
    Das Haus war voller huschender Lichter und Schritte, als wir die Halle erreichten. Die Tür zu Howards Zimmer stand halb offen und als ich die letzten drei Stufen mit einem Satz überwand, tauchte Charles in der Halle auf, eine qualmende Petroleumlampe schwenkend.
    Die Schreie hatten aufgehört, als wir die Haustür erreichten. Ich erkannte Howard, der auf ein Knie herabgesunken war und sich über einen dunklen, unförmigen Körper beugte.
    Rowlf und ich erreichten ihn gleichzeitig.
    »Was ist passiert?«, fragte ich erregt. »Wer hat da geschrien?«
    Howard sah auf, gebot mir mit einer hastigen Geste zurückzubleiben, und deutete mit der anderen Hand auf den verkrümmt daliegenden Körper vor sich. Etwas Graues, Winziges erhob sich von dem dunklen Bündel und flatterte davon.
    »Wer ist das?«, murmelte ich.
    Howard zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht«, murmelte er. »Eine Frau. Aber …« Er stockte und sah mich prüfend an. »Kennst du sie?«
    Neugierig beugte ich mich vor.
    Der Anblick war unheimlich. Es war eine Frau, aber selbst das konnte ich nur noch anhand ihrer Kleider und des langen, bis weit über die Schulter fallenden grauweißen Haares erkennen. Ihre gebrochenen Augen standen weit offen und waren trübe geworden, und in ihrem erstarrten Blick hatte sich ein Ausdruck so tiefen Entsetzens festgesetzt, dass ich unwillkürlich ein Stück zurückschrak.
    Das Gesicht der Toten war eine Kraterlandschaft aus Runzeln und Falten. Graue, pergamenttrockene Haut spannte sich um einen zahnlosen Mund, der vor Jahrzehnten einmal sehr schön gewesen sein musste. Hässliche schwarze Flecken verunstalteten das Gesicht und über der rechten Schläfe war die Haut gerissen und begann sich abzuschälen. Es war alt, dieses Gesicht. Unglaublich alt.
    So alt wie ihre Kleider, dachte ich schaudernd. Das einteilige, hoch geschlossene Kleid musste vor einem Jahrhundert einmal farbenfroh gewesen sein; jetzt war es ein Fetzen, vermodert, grau, dünn und zerschlissen, sodass an unzähligen Stellen der Stoff durchsichtig geworden war. Es sah aus wie von Motten zerfressen.
    »Sie … muss mindestens hundert sein«, murmelte Howard verstört. »Aber wie ist das möglich? Wer ist diese Frau, und wie kommt sie hierher?«
    »Diese Frage kann ich beantworten«, sagte eine Stimme.
    Howard, Rowlf und ich fuhren im gleichen Moment herum. Keiner von uns hatte den Fremden bemerkt, der sich uns genähert hatte. Natürlich nicht, wir waren viel zu aufgeregt gewesen, um die leisen Schritte auf dem Kies zu hören.
    »Wer sind Sie?«, blaffte Rowlf. Drohend richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und trat auf den Fremden zu, aber dieser

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