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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zeigte sich davon nicht im geringsten beeindruckt. Er hatte es wohl auch nicht nötig – seine Schultern waren fast so breit wie die Rowlfs und mit seinem schwarzen Zylinder überragte er Howards Leibdiener sogar noch um eine gute Handbreit.
    »Wer zum Teufel sind Sie?«, schnappte Howard, als der Fremde nicht antwortete. »Und was machen Sie hier?«
    »Mein Name ist Ron«, sagte der Mann. Er kam näher, trat in den blassen Lichtschein von Charles Lampe und ich erkannte, dass er den schwarzen Mantel und Hut eines Kutschfahrers trug.
    Er deutete auf die Tote. »Ich habe sie gefahren.«
    »Sie kennen sie?«
    Ron nickte, schüttelte gleich darauf den Kopf und machte eine vage, unbestimmte Geste. »Ja und nein. Ihr Name ist Gloria und das ist schon so ziemlich alles. Ich … habe sie vom Bahnhof hierher gebracht.«
    »Gloria?« Irgendwie kam mir der Name bekannt vor, aber ich wusste nicht, wo ich ihn unterbringen sollte.
    Howard sah mich scharf an. »Du kennst diese Frau?«
    »Ich … nein«, antwortete ich nach kurzem Überlegen. »Eine Gloria Martin wollte heute oder morgen hierher kommen, um sich auf die Stelle als Hausdame zu bewerben, die ich ausgeschrieben habe. Aber das kann sie unmöglich sein.«
    »Sie ist es aber«, sagte Ron hart. »Ich habe mich mit ihr unterhalten. Sie erzählte, dass sie sich vorstellen wollte.«
    Verblüfft starrte ich auf das ausgetrocknete Greisengesicht vor mir herab. »Aber das ist unmöglich!«, entfuhr es mir. »Diese Frau hat wohl kaum noch die Kraft gehabt, auf eigenen Füßen zu stehen.«
    »Blödsinn!«, schnappte Ron. »Sie ist -«
    Sein Unterkiefer klappte herunter, als sein Blick auf das zerfallene graue Antlitz der Toten fiel. Seine Augen weiteten sich. Trotz der Dunkelheit sah ich, wie sein Gesicht in Sekundenbruchteilen alle Farbe verlor.
    »Das … gibt es … nicht!«, stammelte er. »Das ist doch … unmöglich!« Seine Hände begannen zu zittern. Er wankte, griff Halt suchend um sich und wäre vielleicht gestürzt, wenn Rowlf nicht blitzschnell zugegriffen hätte.
    »Was ist unmöglich?«, fragte Howard betont.
    »Diese … diese Frau!«, stammelte Ron. »Gloria. Sie … O mein Gott, das ist doch nicht möglich!« Sein Kopf flog mit einem Ruck hoch. Seine Augen weiteten sich noch mehr, als er Howard und mich anstarrte. Ich hatte selten einen Ausdruck so ungläubigen Entsetzens im Gesicht eines Menschen gesehen. »Gloria«, stammelte er. »Sie … sie war allerhöchstem zwanzig.«
    »Was reden Sie da?«, murrte Howard. »Sie -«
    »Aber es stimmt!«, sagte Ron. Seine Stimme wankte und drohte überzukippen. Speichel lief an seinem Kinn herab. Er merkte es nicht einmal. »Ich bin doch nicht verrückt! Ich habe mit diesem Mädchen gesprochen und … und sie hier abgesetzt! Sie war keine zwanzig Jahre alt!«
    »Diese Frau hier«, antwortete Howard betont, »ist eher zweihundert als zwanzig, Ron. Überlegen Sie in Ruhe. Vielleicht haben Sie Ihre Gloria vor einem anderen Haus abgesetzt. Sie müssen sich getäuscht haben!«
    »Nein!«, keuchte Ron. Es klang wie ein Schrei, den er im letzten Moment unterdrückte. »Ich habe sie keine Sekunde aus den Augen gelassen! Ich habe gewartet, weil … weil sie noch nicht wusste, ob sie die Stelle annimmt, und …« Er brach ab, rang hörbar nach Worten und begann kleine, unverständliche Laute auszustoßen.
    »Ich glaub, er hat Recht«, sagte Rowlf leise. »Seht euch die Klamotten an.« Er deutete auf die zerschlissene Reisetasche, die ein Stück neben der Toten lag. Sie war aufgeplatzt und ihr Inhalt hatte sich über den Weg verstreut. Er bestand aus nichts als Lumpen. Wenn die grauen, halb vermoderten Fetzen irgendwann einmal Kleider gewesen waren, dann musste es Jahrzehnte her sein.
    Howard streckte die Hand nach einem der Kleider aus. Es zerfiel zu Staub, als er es berührte.
    »Das ist Hexerei!«, keuchte Ron. »Das ist … Teufelswerk!« Seine Stimme wurde höher, schriller. »Es stimmt, was man sich über Sie erzählt!«, behauptete er. »Es ist alles wahr! Sie sind ein Hexer!«
    »Beruhigen Sie sich!«, sagte Howard scharf, aber Rons Erregung stieg eher noch.
    »Sie sind ein Hexer!«, keuchte er. »Es ist wahr! Sie sind mit dem Satan im Bunde, wie die Leute behaupten!«
    Howard hob rasch die Hand. Rowlf drehte sich herum, bedachte Ron mit einem freundlichen Lächeln – und schlug ihm warnungslos die Faust unter das Kinn. Der hünenhafte Kutscher stieß ein ersticktes Keuchen aus, kippte nach hinten und fiel wie ein nasser Sack

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