Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe
…«
»Aber?«, fragte ich, als er nicht weitersprach.
Der Fregattenkapitän zögerte einen Moment. Schließlich stand er – ohne zu antworten – auf, zündete sich eine Zigarre an und trat ans Fenster. Wir befanden uns im zweiten Stock eines nach außen hin vollkommen normalen Mietshauses, nicht mehr als drei oder vier Straßenzüge vom Büro der Scotia entfernt. Wie gesagt – das Haus war nach außen hin ganz normal. In seinem Inneren schon nicht mehr ganz. Ich hatte nicht alle Räume gesehen, aber ich schätzte, dass sich zusammen mit Spears Truppe an die fünfzig Marinesoldaten in dem Haus aufhalten mussten, und es schienen mir ausnahmslos ausgesuchte Leute zu sein. Leute von der Art, der man ansieht, dass sie zu kämpfen versteht. Möglicherweise täuschte ich mich auch – aber in diesem Moment war ich sicher, es mit allem anderem als normalen Marineinfanteristen zu tun zu haben.
Das Einzige, was den Eindruck, mich inmitten einer Eliteeinheit zu befinden, störte, war Spears. Er schien mir ein wenig zu jung und unausgereift, um einen solchen Einsatz zu leiten.
»Sie haben … gewisse Erkundigungen eingezogen, bevor Sie London verlassen haben, Mister Craven«, sagte er plötzlich.
Ich sah auf. »Sie sind gut informiert«, gestand ich.
Spears lächelte. »Das ist mein Beruf«, antwortete er. »Ich frage mich nur, was der Ihre ist, Craven.« Er trat vom Fenster zurück, schnippte eine Zigarrenasche zielsicher einen Finger breit neben den Aschenbecher und klappte eine lederne Schreibmappe auf, die zwischen uns auf dem Tisch lag. Neugierig beugte ich mich vor.
Ich war nicht sehr überrascht, auf dem obersten Blatt in fetten Buchstaben meinen Namen zu lesen. Was mich überraschte, war der Umfang des Papierstapels, den er bedeckte.
Spears bemerkte meinen befremdeten Blick und lächelte. »Das hier kam heute morgen mit einem Kurier«, sagte er. »Es enthält eine Menge interessanter Dinge, glauben Sie mir. Was es nicht enthält, ist die Antwort auf die Frage, die mich im Moment am allermeisten interessiert.«
»Und die wäre?«, fragte ich harmlos.
»Schlicht und einfach die, was Sie hier zu suchen haben«, antwortete Spears. Plötzlich war er ganz ernst. Er beugte sich vor, legte die Zigarre aus der Hand, stützte sich mit beiden Fäusten auf der Tischplatte ab und sah mich aus seinen durchdringenden blauen Augen an.
»Wenn Sie jetzt sagen, es wäre Zufall, lasse ich Sie von meinen Leuten ins Meer schmeißen«, sagte er. Und so, wie er es sagte, glaubte ich ihm. »Also?«
»Bannermann«, antwortete ich. »Ich bin wegen Bannermann hier. Er bat mich um Hilfe.«
»Hilfe?«, schnappte Spears. »Wobei?«
»Zum Teufel, was soll das?«, antwortete ich scharf. »Sie wissen so gut wie ich, wobei. Dieser saubere Jameson versucht irgendetwas zu vertuschen und Bannermann ist der, den er dafür über die Klinge springen lassen will. Zufällig ist Bannermann aber auch ein Freund von mir.« Wütend stand ich auf, ging um den Tisch herum und baute mich drohend vor Spears auf. Wenigstens versuchte ich es. Aber bei einem Mann, der fast einen Kopf größer war als ich, fiel es mir schwer.
»Bannermann ist kein Freund von Ihnen, Craven«, sagte Spears ruhig. »Sie haben sich in Ihrem ganzen Leben nur genau einmal vorher gesehen, vor mehr als zwei Jahren. Aber lassen wir das. Was wollen Sie hier?«
»Das Gleiche könnte ich Sie fragen«, schnappte ich.
Spears seufzte. »Begreifen Sie denn nicht, Craven?«, fragte er. »Zum Teufel ich habe hier auf dem Tisch -«, er pochte mit den Fingerknöcheln auf den Papierstapel mit meinem Namen obenauf, »- das dickste Bulletin, das ich jemals über einen einzelnen Mann gesehen habe, und es enthält ungefähr hundert Mal mehr Fragen als Antworten. Sie sind ein recht geheimnisumwitterter Mann, Craven – vorsichtig ausgedrückt. Alles, was ich von Ihnen verlange, ist eine ehrliche Antwort auf die Frage, ob ich Ihnen vertrauen kann oder nicht.«
»Das ist eine ziemlich blöde Frage«, entfuhr es mir. »Was soll ich darauf antworten – nein?«
Spears starrte mich an. Für einen Moment blitzte Zorn in seinem Blick auf, aber dann begannen seine Mundwinkel zu zucken und plötzlich lachte er. »Entschuldigen Sie, Craven«, sagte er. »Es war wirklich eine dumme Frage. Aber es geht hier um viel. Vielleicht um die Sicherheit des Empires.«
Vielleicht um die Sicherheit der Welt, fügte ich in Gedanken hinzu. Aber das sprach ich vorsichtshalber nicht laut aus.
Spears seufzte,
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