Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe
die ich nicht verstand, die aber sichtlich funktionierte, denn wenn nicht, wäre ich wohl kaum noch in der Lage gewesen, diesen Gedanken zu denken. Aber es gab noch einen anderen Teil in mir, dem es reichlich egal war, was Logik und gesunder Menschenverstand sagten; einen Teil, der nicht von der fürchterlichen Vision abzubringen war, das Schiff jeden Moment wie einen Stein absinken und zehntausend Klafter tief auf dem Grunde des Meeres zerschellen zu fühlen.
Solche und ähnliche Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich durch den gewölbten Gang schritt.
Dann hörte ich die Musik.
Zuerst war es nicht viel mehr als ein Summen, ein Ton, der fast im Grollen der Schiffsmaschinen unterging, aber er schwoll rasch an und übertönte bald den Motorenlärm, wechselte, schwoll an und sank wieder herab und schwoll wieder an. Dann wusste ich, was es war.
Orgelmusik.
Vor Überraschung blieb ich stehen.
Was ich hörte, war eine Kantate von Johann Sebastian Bach, frei und mit erstaunlichem musikalischen Gespür intoniert auf einer aufs Allerfeinste gestimmten Kirchenorgel. Zehn Faden unter dem Meer!
Verwirrt ging ich weiter und blieb vor einer weiteren Tür stehen, die auf die schon bekannte Weise in der Decke verschwand, kaum dass ich bis auf Armeslänge herangekommen war – und blieb abermals stehen, als wäre ich gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt.
Nach allem, was ich in den letzten Stunden erlebt und gesehen hatte, hatte ich geglaubt, gegen jede Überraschung gefeit zu sein. Aber ich sah mich getäuscht.
Hinter der Tür lag ein schmaler, von einem kunstvoll geschmiedeten eisernen Gitter begrenzter Balkon, hinter dem sich ein weitläufiger, äußerst geschmackvoll eingerichteter Salon erstreckte. Seine Größe mochte gute zehn auf zwanzig Schritt betragen und die Decke, von der ein gewaltiger, elektrisch betriebener Lüster hing, wölbte sich gute drei Yards über mir.
An der linken Seite, gleich neben dem Eingang, stand eine großzügig bestückte Bar, daneben in gemütlicher Unordnung eine Chaiselongue und zwei kleine, behaglich aussehende Sessel. Es gab Bücherregale und große hölzerne Gefäße voller wuchernder tropischer Pflanzen und an den Wänden hingen kunstvoll gerahmte Gemälde. Ein Salon wie dieser hätte ebenso gut in jedes vornehme Londoner Stadthaus gepasst.
Beinahe, heißt das. Es gab zwei Dinge, die den auf den ersten Blick so normalen Eindruck störten. Das eine war eine gewaltige Orgel, die die gesamte gegenüberliegende Wand einnahm und aus der die Musik ertönte, die ich vernommen hatte, gespielt von einem schmalschultrigen, dunkelhaarigen Mann, der mit dem Rücken zur Tür saß und so in sein Spiel versunken schien, dass er mein Eintreten nicht einmal bemerkte.
Das andere war das Fenster.
Oder das, was ich im ersten Moment für ein Fenster gehalten hatte.
Es war rund wie ein Bullauge, aber mehr als mannshoch und aus gut fünf Inches starkem, leicht nach außen gewölbtem Glas gefertigt. Dahinter lag die Unendlichkeit.
Der Anblick war im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend, denn für Augenblicke vergaß ich sogar, Luft zu holen, so sehr schlug mich das fantastische Bild in seinen Bann.
Die NAUTILUS bewegte sich tief unter der Wasseroberfläche, genau auf der Trennlinie zwischen Licht und ewiger Nacht, sodass es aussah, als glitte sie lautlos auf der Oberfläche eines zweiten, tintenschwarzen Meeres entlang, das sich unter der des bekannten Ozeanes verbarg. Ein unwirkliches, blausilbernes Licht drang durch den flackernden, immer wieder in blitzende weiße Splitter zerbrechenden Himmel, den das Meer dreißig oder vierzig Yards über uns bildete, und in einiger Entfernung konnte ich einen gewaltigen Schwarm silbern glitzernder Fische erkennen, der das Unterseeboot wie im Spiel begleitete.
»Gefällt Ihnen, was Sie sehen, mein junger Freund?«
Ich fuhr zusammen und merkte erst jetzt, dass die Orgelmusik aufgehört und sich Nemo zu mir umgewandt hatte. Ein sanftes, gleichzeitig stolzes wie auch irgendwie trauriges Lächeln lag auf seinen schmalen Zügen, als er aufstand und auf mich zukam.
Widerstrebend nickte ich. Seine Worte hatten den Zauber zerstört und obwohl ich genau wusste, wie unlogisch es war, verspürte ich für einen Moment einen tiefen Groll auf ihn. Mit einem Mal war die Übelkeit wieder da und mit ihr kamen all die finsteren Gedanken zurück, mit denen ich mich seit meiner Ankunft auf dem Schiff getragen hatte.
Noch einmal sah ich zu dem blau
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