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Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Titel: Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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übernehmen. Aber im Moment gibt es Wichtigeres zu tun.«
    »Haben Sie die Silver Arrow versenkt?«, fragte ich, sehr leise und mit nur mühsam beherrschter Stimme. »Und auch all die anderen Schiffe?«
    Nemo nickte. »Ja. Im Falle der Silver Arrow war es ein Missverständnis, wie ich bereits sagte.«
    Er sprach nicht weiter, aber das erschien mir in diesem Moment auch nicht notwendig. Das, was er nicht sagte, war weitaus schlimmer als alles, was er hätte sagen können.
    »Dann … dann ist das Seeungeheuer, das seit drei Monaten vor der Küste kreuzt und Schiffe verschlingt -«
    »Die NAUTILUS«, bestätigte Nemo. »Ja. Aber es ist nicht so, wie Sie jetzt vielleicht glauben, Robert.« Er seufzte, trat einen Schritt auf mich zu und senkte die Rechte in die Tasche seiner blauen Kapitänsjacke. Als er die Hand wieder hervorzog, hielt sie einen schmalen, mit einem roten Siegel verschlossenen Briefumschlag.
    »Lesen Sie, Robert«, sagte er. »Danach werden Sie verstehen.«
    Zögernd griff ich nach dem Brief, drehte ihn zweimal in den Händen und erbrach dann das Siegel, das mir ohnehin nichts sagte.
    Dafür sagte mir die Handschrift, in der der säuberlich zusammengefaltete Brief abgefasst war, umso mehr.
    Es war Howards Schrift!
    Verstört sah ich auf und starrte Nemo an. Ein sanftes Lächeln glomm in den dunklen Augen des Kapitäns auf. »Lesen Sie, Robert«, sagte er noch einmal. »Ich schenke uns derweil einen guten Tropfen ein.«
    Während er zur Bar eilte und geschäftig mit Gläsern und Flaschen zu hantieren begann, faltete ich mit zitternden Händen das Blatt auseinander und überflog hastig seinen Inhalt, der nur aus wenigen Zeilen bestand.
    Mein lieber Robert, stand da, in Howards fast unleserlicher, aber dafür auch beinahe unnachahmlicher krakeliger Handschrift. Mir bleibt keine Zeit, dir an dieser Stelle alle Erklärungen zu geben, die notwendig und angebracht wären. Wenn du diese Zeilen liest, halte ich mich an einem Ort auf, von dem es mir unmöglich ist, direkten Kontakt mit dir aufzunehmen; überdies mögen sich die Dinge anders entwickeln, als es im Moment den Anschein hat. Ich überlasse es also meinem Freund Nemo, dir das Nötige zu erklären und dich einzuweisen.
    Vertraue ihm.
    Howard.
    Ich las den Brief dreimal hintereinander, faltete ihn zusammen, starrte Nemo an, hob das Blatt noch einmal in die Höhe und las seinen Inhalt ein viertes Mal.
    Nemo lächelte, aber er brachte selbst jetzt das Kunststück fertig, dabei noch irgendwie traurig auszusehen. »Nun?«, fragte er.
    Ich setzte zu einer Antwort an, schüttelte aber dann bloß den Kopf, steckte den Brief in die Tasche und ging zur Bar hinüber. Nemo reichte mir schweigend ein Glas mit Portwein, das ich in einem Zug leerte.
    »Erzählen Sie«, sagte ich.
     
    Es war dunkel geworden, als sie das Haus verließ. Sie hatte James Leiche in die Kammer geschleift, wo sie sicher gefunden werden würde, aber nicht sofort, sodass ihr Zeit genug blieb, ihr Vorhaben auszuführen. Anschließend hatte sie sich gründlich gesäubert und ein neues Kleid angezogen. In ihrer Hand lag jetzt eine andere Waffe, eines von James Jagdmessern: eine schwere, nur auf einer Seite geschliffene Klinge, plump und schwerfällig im Vergleich zu dem Dolch, mit dem sie ihren Mann umgebracht hatte. Vielleicht die richtige Waffe, um McGillycaddy zu töten.
    Sie fühlte nicht einmal Triumph. Der Mord an James war etwas gewesen, das getan werden musste, und das sie nicht berührt hatte; und so würde es auch mit McGillycaddy sein. Vielleicht, dachte sie müde und mit einer sonderbaren Klarsicht, war ihre Art zu denken jetzt nicht mehr ganz menschlich. Vielleicht war sie selbst jetzt – auf ihre Weise – zu einem ebensolchen Ungeheuer geworden wie McGillycaddy und seine dämonischen Anhänger. Aber wenn, dann hatten sie sie dazu gemacht.
    Die Nacht breitete sich wie eine schwarze Decke über der Küste aus, während sie den schmalen, steinigen Pfad zum Gut hinaufging. Es gab eine Straße, eine knappe halbe Meile weiter westlich, auf der sie leichter und schneller vorangekommen wäre, aber sie wollte keinem der anderen begegnen. Sie wusste nicht, ob sie sich gut genug in der Gewalt haben würde, nicht das Messer zu ziehen und jeden zu töten, der sich ihr in den Weg stellte. Aber sie durfte es nicht.
    Ein scharfer Wind kam auf, als sie die Steilküste erreichte und sich nach Norden wandte, zum Gut und dem See hin, der selbst in der Nacht wie ein mattes silbernes Auge zu erkennen

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