Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft
hintere, schmalere Seite den natürlichen Konturen des Berges folgte und die gewachsene Geografie der schwarzen Lava in ihre Verteidigungsaufgabe einbezog.
Eine gut dreifach mannshohe Wehrmauer, zum allergrößten Teil aus Lavatrümmern errichtet, umgab ein Areal von sicherlich mehr als drei Quadratmeilen. Das Tor, niedrig und gewölbt und einem zehn Yards langen überdachten Gang gefolgt, sodass es zu einem leicht zu verteidigenden Tunnel wurde, war von zwei wuchtigen Türmen flankiert. Zwischen deren Schießscharten lugten die Läufe zwar antiquierter, aber nichtsdestotrotz Ehrfurcht gebietender Zwölfpfünder hervor. Im Inneren dieser ersten, nach außen gerichteten Wehranlage erhob sich eine zweite, kaum weniger hohe und von Stacheldraht und rostigen Eisenspitzen gekrönte Wand. Dahinter lag das eigentliche Lager – ein rechteckiger Platz, um den sich ein Dutzend niedriger, strohgedeckter Hütten erhob.
Ein unbeschreiblicher Gestank schlug mir entgegen, als der Eselskarren durch das innere Tor rumpelte und sich den Baracken näherte. Roosfeld ließ seine Peitsche knallen, um die erschöpften Tiere noch einmal zu größerer Schnelligkeit anzutreiben, und wie zur Antwort flammte in der vordersten Baracke ein gelbliches Licht auf und Sekunden später wurde eine Tür geöffnet. Ein Mann trat heraus.
Sein Anblick traf mich wie ein Schlag.
Er trug nicht die Uniform der niederländischen Marine. Auch nicht die zerschlissenen Lumpen, in die die Wächter gekleidet waren, die draußen auf der äußeren Mauer patrouillierten, sondern ein knielanges, weißes Gewand, auf dessen Brust ein flammend rotes Balkenkreuz prangte, darunter ein Kettenhemd, schwarze wollene Hosen und ebenfalls schwarze Schaftstiefel. An seiner Hüfte blinkte ein fast armlanges, beidseitig geschliffenes Schwert.
Roosfeld lenkte den Eselskarren auf ihn zu, brachte die Tiere mit einem brutalen Ruck an den Zügeln zum Stehen und sprang vom Bock. Der Templer begrüßte ihn mit einem Nicken, ging an ihm vorbei und blickte interessiert, aber ohne die geringste Spur von Mitleid, zu mir herauf.
»Ein neuer Mann«, stellte er fest. »Wieso nur einer, Roosfeld? Bruder Tergard weiß doch, dass wir mehr Nachschub brauchen.«
»Der da ist was Besonderes«, knurrte Roosfeld. Umständlich öffnete er den Gitterkäfig und ließ die Verschlüsse der Handschellen aufschnappen, die meine Arme hielten.
Der Weg hier herauf hatte meine letzten Kräfte aufgezehrt. Roosfeld schleifte mich rücklings aus dem Käfig und warf mich kurzerhand vom Karren. Wie durch einen nebligen Schleier registrierte ich, wie der Templer neben mir in die Hocke sank und meinen Kopf anhob, um mir ins Gesicht zu sehen.
»Er sieht schlimm aus«, sagte er. »Warst du das?«
Roosfeld grunzte und deutete mit der Linken auf seinen bandagierten Arm. »Das Schwein hat mir den Arm ausgerenkt«, sagte er. »Er kann von Glück sagen, dass Tergard mir verboten hat, ihm den Schädel einzuschlagen.«
»Nun, sehr viel fehlt nicht mehr daran«, sagte der Templer kopfschüttelnd. Ein deutlicher Ausdruck von Ärger erschien auf seinem Gesicht, als er sich aufrichtete und an Roosfeld wandte.
»Was soll ich mit einem halb toten Mann?«, fauchte er. »Bruder Tergard weiß ganz genau, dass ich nur gesunde und kräftige Männer gebrauchen kann. Krüppel und Sterbende habe ich selbst genug hier.«
»Der da ist nicht zur Arbeit bestimmt«, antwortete Roosfeld. »Tergard will, dass du ihn nach unten bringst, wenn er sich ein bisschen erholt hat.« Er lachte leise. »Ich soll dir sagen, dass er besonderen Wert darauf legt, dass er nach unten kommt.«
»Warum?«, fragte der Templer.
»Warum fragst du nicht Tergard?«, fauchte Roosfeld. »Er glaubt, dass er sich besonders über ihn freuen wird. Frag mich nicht, warum. Mir sagt man ja nichts. Ich darf die Knochen für euch hinhalten, aber das ist auch alles.«
Der Tempelherr blickte ihn einen Moment lang scharf an, dann schüttelte er den Kopf, ging abermals neben mir in die Hocke und sah mir ins Gesicht.
»Können Sie aufstehen?«, fragte er. In seiner Stimme lag mit einem Male eine Freundlichkeit und Wärme, die ich von allen möglichen Reaktionen am allerwenigsten erwartet hätte.
Ich nickte, stemmte mich mit den Händen halbwegs in die Höhe und sank keuchend zurück. Ich hatte nicht mehr die Kraft, aufzustehen. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper war paralysiert.
Der Tempelherr seufzte, richtete sich wieder auf und klatschte in die Hände. Wenige
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