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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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herauszog. Schweigend schenkte er den Becher voll und reichte ihn mir.
    Ich trank, ohne erst lange zu überlegen, welche Art von Flüssigkeit die Flasche enthielt. Als ich aufgehört hatte zu husten, füllte Shannon den Becher erneut, aber diesmal nippte ich nur daran und sah fragend zu ihm auf. »Du nicht?«
    Shannon verneinte. »Ich trinke niemals Alkohol«, sagte er. »Aber dir wird er gut tun.« Plötzlich war wieder dieser Ausdruck von Sorge in seinem Blick. »Fühlst du dich besser?«, fragte er.
    Impulsiv wollte ich nicken, beließ es aber dann bei einem Achselzucken und trank einen weiteren Schluck. Mittlerweile glaubte ich, das Getränk als Rum zu identifizieren, wenngleich als einen Rum, der zu mindestens hundertzehn Prozent aus purem Alkohol bestand. Aber obgleich mir die Brühe schier die Kehle wegzuätzen schien, breitete sich eine Woge wohltuender Wärme in meinem Magen aus. Ich musste vorsichtig sein. In dem desolaten Zustand, in dem ich mich befand, würde mich ein zweites Glas dieses Teufelsgebräus glattweg umhauen. Beinahe hastig stellte ich den Becher auf den Tisch zurück.
    »Wo ist dein Freund?«, fragte ich.
    »Eldekerk?« Shannon deutete mit einer vagen Kopfbewegung nach Norden. »Oben in den Bergen – wenn ihn Tergards Leute nicht erwischt haben, heißt das. Wir treffen ihn später.« Er räumte die Flasche weg, kam zurück und ließ sich vor mir auf ein Knie herabsinken. »Zieh dein Hemd aus. Ich will dich untersuchen.«
    »Später?«, hakte ich nach, begann aber gehorsam mein Hemd aufzuknöpfen. Shannon war kein Arzt, aber ich hatte am eigenen Leibe erfahren, wie hilfreich und lindernd die Berührung seiner Hände sein konnte; und im Moment hätte ich wahrscheinlich auch die Hilfe einer tibetanischen Kräuterhexe angenommen, so miserabel, wie ich mich fühlte. »Was soll das heißen, später?«
    »Wir bleiben nicht hier«, antwortete Shannon, während seine Hände bereits geschickt über meinen Leib huschten und hier und da verharrten. Es tat weh, aber ich biss tapfer die Zähne zusammen.
    Shannon schüttelte den Kopf. »Du siehst schlimm aus«, sagte er. »Bist du geschlagen worden?«
    Seine Worte weckten die Erinnerung an Roosfeld wieder in mir; mein Gesicht verdüsterte sich. Aber es war weniger die Erinnerung an die körperlichen Misshandlungen, als vielmehr die Erniedrigung, die mich aufstöhnen ließ, als Shannons Finger weiter über meine geprellten Rippen tasteten.
    »Wer war es?«
    »Ein Mann namens Roosfeld«, antwortete ich und fügte, mit einem etwas verunglückten Lächeln, hinzu: »Er hat mir wohl den verrenkten Arm übel genommen.«
    Shannon sah auf. »Ein ziemlich großer Mann mit einem Schlägergesicht und einer Narbe über dem Auge?«, fragte er.
    Ich nickte überrascht. »Du kennst ihn?«
    »Ich … bin ihm begegnet«, antwortete Shannon ausweichend. »In den nächsten Wochen wird er niemanden mehr so zurichten. Wenn er’s überlebt. Keine Sorge.«
    Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was Shannon mit seinen Worten meinte. Und als es mir klar wurde, erschrak ich. Shannons Worte waren so kalt und gefühllos, als spräche er über einen Käfer, den er zertreten hatte. Einen Moment lang zweifelte ich beinahe daran, dass dies wirklich der Shannon war, den ich kennen gelernt zu haben glaubte. Der junge Magier, der mir in Arkham und später noch einmal in Amsterdam das Leben gerettet hatte, war vielleicht mein Feind gewesen; aber trotz allem ein Mensch voller Wärme und Freundlichkeit. Kein eiskalter Zyniker.
    Aber dann verscheuchte ich den Gedanken. Es war lange her, seit wir das letzte Mal als Freunde miteinander geredet hatten. Und Shannon hatte nicht darüber gesprochen, aber ich ahnte, dass das, was Necron ihm angetan hatte, schlimmer sein musste als die paar Schläge, die ich von Roosfeld erhalten hatte. Es gibt für jeden Menschen eine Grenze, jenseits derer er einfach zerbricht. Vielleicht war Shannon ihr zu nahe gekommen.
    »Halt jetzt still«, sagte er. »Es wird wehtun, aber danach fühlst du dich besser.«
    Er stand auf, legte die linke Hand auf mein Herz und spreizte die Finger der Rechten, um sie auf mein Gesicht zu legen. Ich kam nicht einmal mehr dazu, ihn zu fragen, was er vorhatte.
    Er hatte Recht – es tat weh, höllisch weh sogar, aber hinterher fühlte ich mich keineswegs besser.
    Jedenfalls nicht sofort.
    Ich wurde erst einmal ohnmächtig.
     
    Die Hitze der Erde war hier unten deutlicher zu spüren. Wie ein erstickender Hauch drang sie aus dem

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