Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod
Jenny?«
»Das fragst du besser deinen Freund Howard«, schnappte Jennifer wütend. »Wir hatten eine Abmachung.«
»Eine Abmachung?« Ich sah Howard an.
»Das stimmt«, gestand er. »Wir … haben versprochen, sie zu Dagon zu bringen. Als Gegenleistung hat sie uns verraten, wo du bist. Und wann«, fügte er mit sonderbarer Betonung hinzu.
»Und Sie betrügen mich«, sagte Jennifer böse. »Ich habe mein Wort gehalten und Sie zu Craven geführt. Jetzt bringen Sie mich zu Dagon.«
»Kindchen«, begann Howard, »das ist -«
Jennifer fuhr ihm mit einer wütenden Bewegung ins Wort. »Das ist, was wir vereinbart haben, Lovecraft. Ich habe mein Wort gehalten, jetzt halten Sie das Ihre. Wenn nicht -« Sie sprach nicht weiter, aber vielleicht war es gerade das, was ihren Worten ein solches Gewicht verlieh. Howard presste die Lippen aufeinander, aber ich spürte, dass sein Zorn nicht ganz echt war; und dass sich eine Furcht dahinter verbarg, die ich nicht verstand.
Ehe er antworten und damit alles nur noch schlimmer machen konnte, trat ich zwischen ihn und das schwarzhaarige Mädchen, um so wenigstens den Blickkontakt zwischen den beiden ungleichen Kampfhähnen zu unterbrechen.
»Jenny«, sagte ich, »warum erzählen Sie mir nicht einfach, was geschehen ist. Vielleicht finden wir eine Lösung.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, antwortete sie wütend. »Ich hatte eine Abmachung mit Lovecraft und Nemo. Ich habe ihnen gesagt, wo Sie zu finden sind, und dafür haben sie sich verpflichtet, mich zu Dagon zu bringen.«
»Warum?«, fragte ich. »Was versprechen Sie sich davon?«
»Das geht Sie nichts an«, antwortete sie wütend.
»Ich denke doch«, widersprach ich. »Sehen Sie, mir ist auch daran gelegen, Dagon zu finden, ehe hier alles in die Luft fliegt, aber wenn ich Ihnen helfen soll, dann muss ich wissen, auf welcher Seite Sie stehen, Jenny.«
»Siehst du das wirklich nicht, Robert?«, fragte Howard leise. »Schau sie dir doch an. Sie liebt ihn. Sie liebt dieses Ungeheuer!«
Seine Stimme troff dabei so von Verachtung, dass Jenny wie von der Tarantel gestochen herumfuhr und es für einen Moment so aussah, als wolle sie sich auf ihn stürzen.
»Wollen Sie es bestreiten?«, fragte Howard kühl.
Ich drehte mich wütend herum. »Howard, zum Teufel, was soll das?«, schnappte ich.
Ich bekam keine Antwort, aber das zornige Funkeln in Howards Augen verstärkte sich weiter. Einen Moment lang erwiderte ich seinen Blick, dann drehte ich mich wieder zu Jennifer um und versuchte zu lächeln. Ganz gelang es mir nicht.
»Ist es wahr?«, fragte ich. »Lieben Sie Dagon?«
Das Mädchen schürzte wütend die Lippen. »Und wenn?«, fragte sie.
»Wenn«, antwortete ich, sehr leise und in aufrichtig bedauerndem Ton, »kann ich Ihnen nicht helfen, Jenny. Das müssen Sie einsehen. Dagon ist unser Feind; und nicht nur unserer.«
»Ach?«, fragte Jennifer. »Ist er das?«
Ich stutzte. Ihre Worte waren genau in dem Ton vorgebracht, in dem ein störrisches Kind reden mochte, das ausprobierte, wie weit es gehen kann. Und trotzdem ließ mich etwas darin aufhorchen.
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich.
In Jennifers Augen blitzte es. »Warum kommen Sie nicht mit mir und fragen ihn selbst?«, sagte sie.
Ich wollte antworten, aber ich konnte es nicht. Jennifer hasste mich, das war mir klar, im gleichen Moment, in dem ich in ihre Augen sah. Sie hasste Howard, Nemo, mich – überhaupt jeden hier, denn in den letzten Augenblicken hatte sie vermutlich die größte Enttäuschung ihres Lebens erlebt. Ich wusste noch immer nicht genau, was Howard und sie vereinbart hatten – aber es schien, als hätte sie ihren Teil dieses sonderbaren Handels eingehalten. Wenn Howard jetzt die Vereinbarung brach, dann musste ihr dies wie Betrug vorkommen. Genau genommen war es das wohl auch. Und genau genommen konnte ich es nicht gutheißen, ganz gleich, aus welchen Gründen heraus Howard und Nemo handeln mochten. Auch ein Betrug an einem Feind bleibt ein Betrug, egal wie man es dreht und wendet.
Aber da war noch mehr. Über diese Tatsache hinaus konnte ich Jennifer nur zu gut verstehen. Ich wusste aus eigener schmerzlicher Erfahrung, wie eng Liebe und Leid miteinander verbunden sind. Auch ich hatte eine Enttäuschung erlebt, die ich selbst jetzt, nach mehr als zwei Jahren, noch nicht vollends verwunden hatte.
Schließlich senkte ich den Blick, starrte einen Moment zu Boden und wandte mich dann wieder an Howard. »Du bleibst dabei?«
»Die
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