Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod

Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod

Titel: Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
tagtäglich mit dem Bösen umgehen konnte, ohne selbst so zu werden? Vielleicht war es wirklich so, wie Howard einmal – nicht ganz im Scherz – gemeint hatte: Es ist, als würdest du mit den Händen im Dreck wühlen, Junge. Du kannst ihn fortwerfen, so weit du willst. Etwas bleibt immer an dir haften.
    Ich verscheuchte den Gedanken, trat – Harmfelds Befehl missachtend – zwei Schritte weiter auf den Strand hinauf und sah schadenfroh zu, wie Harmfeld und seine Leute nasse Füße bekamen. Auch Jennifer hatte sich ein Stück weit den Strand hinauf bewegt, obwohl sie gewiss nicht wasserscheu war. Ein flüchtiges Lächeln verzog ihre Lippen, als sie Harmfelds Missgeschick bemerkte. Der Holländer fluchte, trat an meine Seite und blickte wieder zum Ort hinüber.
    Ein besorgter, ja beinahe schon ängstlicher Ausdruck begann sich auf seinen Zügen breitzumachen, während sein Blick über die niedergebrannten Häuser tastete. Seine Hand legte sich in einer unbewussten Geste auf den Griff des Paradesäbels, der von seiner Seite baumelte. Nirgends war eine Spur von Leben zu erblicken, aber das hatten wir auch nicht erwartet. Aber es war auch nicht ein einziger Toter zu sehen. Und das war beinahe schlimmer.
    Langsam gingen wir weiter, flankiert von dem Dutzend Männer, das Harmfeld und mich begleitete. Keiner von uns sprach und selbst Jennifers Antlitz zeigte Furcht und Schrecken, als wir in die niedergebrannte Stadt eindrangen. Der Ort wirkte – so absurd es klingt – auf beunruhigende Weise friedlich. In dem kleinen, zum Hafen deklarierten Straßenabschnitt, in dem unsere Pinasse angelegt hatte, dümpelte ein halbes Dutzend Fischerboote in der Brandung, ein Stück weiter nördlich lugte das halb verfaulte Wrack eines etwas größeren Bootes aus dem Wasser, das vor Jahren einmal hier aufgelaufen sein musste, ohne dass sich jemand die Mühe gemacht hätte, es zu bergen. Ein Stück den Strand hinauf, auf halber Strecke zwischen der Flutlinie und dem eigentlichen Ort, erhob sich das windschiefe Gebäude der Hafenkneipe, in der Shannon und ich am Tage zuvor um ein Haar gelyncht worden wären. Seine Tür stand offen, sodass ich ungehindert in sein Inneres blicken konnte. Es war leer. Durch eine Laune des Zufalls war es eines der wenigen Gebäude, die den Brand überstanden hatten. Nicht einmal seine Wände waren geschwärzt.
    Harmfeld schickte einen seiner Soldaten mit einer knappen Handbewegung in die Kneipe, nahm die Finger endlich von seinem Säbel und zog stattdessen einen langläufigen Revolver unter seiner Uniformjacke hervor. Das Knacken, mit dem er den Hahn zurückzog, klang in der unheimlichen Stille wie ein Peitschenhieb.
    Wir gingen weiter, instinktiv enger zusammenrückend. Das Meer rauschte monoton gegen die Küste und der Wind begann mit trockenen Abfällen und Fensterläden zu spielen; aber nirgendwo zeigte sich die geringste Spur von Leben. Harmfelds Männer schwärmten aus, um hier und da ein Haus zu durchsuchen, aber das Ergebnis war immer das gleiche.
    Der Ort war leer. Die Überlebenden – falls es welche gegeben hatte – waren verschwunden, zusammen mit den Toten. Und Harmfelds Hilfstruppe.
    »Was ist hier geschehen?«, flüsterte Harmfeld. Seine Stimme bebte.
    Es war keine Frage, auf die er eine Antwort haben wollte, und so schwieg ich.
    Wir durchquerten den Ort zur Gänze und blieben dicht vor der wuchernden grünen Mauer des Dschungels stehen. Harmfeld wich meinem Blick aus, aber ich sah, dass er immer wieder nach oben starrte, zum Gipfel des Krakatau hinauf. Der Berg spie Flammen, aber im hellen Licht der Morgensonne sah das Bild auf bedrückende Weise ästhetisch aus. Es war nichts Bedrohliches daran. Absolut nichts.
    »Ich kann es einfach nicht glauben«, murmelte er. »All diese Menschen. Die … die Insel hat beinahe sechshundert Einwohner, und …« Er stockte, scharrte einen Moment mit der Schuhspitze im Boden und sah plötzlich mit einem Ruck auf. »Sagen Sie mir die Wahrheit, Craven«, sagte er. Seine Stimme klang fast flehend. »Das alles ist doch nicht wahr! Das ist nur ein Trick Ihrer Freunde, damit ich keinen Widerstand leiste!«
    »Leider nicht, Kapitän«, antwortete ich. »Ich fürchte, es ist so. Der Vulkan wird ausbrechen, in genau dem Moment, den Nemo Ihnen vorhergesagt hat.«
    Harmfelds Augen weiteten sich ungläubig, aber irgendwie schien er zu spüren, dass ich die Wahrheit sagte. »Was sind Sie?«, fragte er leise. »So eine Art Hellseher?«
    »Manchmal«, antwortete

Weitere Kostenlose Bücher