Hexer-Edition 13: Ein Gigant erwacht
verloren!«
»Ich wünschte, dass es nur Wölfe wären«, erwiderte ich. Im gleichen Augenblick taten mir meine Worte schon wieder Leid. Lance sah mich an, als hätte ich ihn nach der Art gefragt, wie er denn gerne sterben wolle. Wieder entglitt der Revolver seinen nervösen Fingern und schlug in den Sand.
»Was wollen Sie damit sagen?«, flüsterte er und wurde noch eine Spur blasser.
»Wir müssen damit rechnen, dass diese Wölfe – oder was immer es sein mag – nicht von dieser Welt sind«, begann ich vorsichtig. Wenn es mir gelang, ihn auf das Kommende vorzubereiten, war der Schock vielleicht nicht gar so groß. »Ich habe Ihnen von Necron erzählt, dem Herrn der Drachenburg. Ich glaube, dass er diese Biester geschickt hat. Und Necron gibt sich nicht mit normalen Wölfen zufrieden.«
Er nahm es besser auf, als ich erwartet hatte, starrte mich noch sekundenlang ungläubig an, nickte dann aber und bückte sich ein zweites Mal nach seiner Waffe. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff. Lancelot Postlethwaite war keineswegs ein Feigling. Seine Angst hatte einzig den Wölfen gegolten; richtigen Wölfen.
Es war paradox, aber meine Befürchtung, dass es sich nicht um Tiere aus Fleisch und Blut handelte, schien ihn sogar zu beruhigen. Ich begann zu ahnen, dass damals in der sibirischen Tundra weit mehr vorgefallen war, als er uns erzählt hatte.
Wir bezogen in aller Eile bei den Felsen Stellung. Die schwarzen, vom Wind geschliffenen Granitblöcke umgaben das Wasserloch in einem zum Tümpel hin offenen Halbkreis, aber in solchen Abständen, dass sie kaum Schutz zu bieten vermochten. Trotzdem gaben sie uns ein (wenn auch trügerisches) Gefühl der Sicherheit.
Viele der Indianer hielten ihre Bögen in den Händen, die Pfeile schussbereit auf den Sehnen; einige andere hatten Speere ergriffen, die sie nun sorgfältig auswogen. Bill und Lancelot lehnten rechts von mir an den Felsen, die Waffen schon im Anschlag.
Annie kauerte zwischen ihnen, das Gewehr fest umklammert. Wäre ihr Blick nicht so voller Angst und mühsam unterdrückter Panik gewesen, hätte ich mich um sie kaum sorgen müssen. Sie konnte als Kunstschützin von uns allen hier am besten mit der Waffe umgehen. Aber die Furcht ließ nun ihre Hände zittern und trübte ihren Blick. Ich machte mir Sorgen um sie; große Sorgen.
Dann sah ich zur anderen Seite, wo die Indianer angespannt zwischen den Felsen auf den Angreifer warteten, und suchte Sitting Bull.
Er war nicht unter ihnen!
Verwirrt richtete ich mich ein Stück auf und ließ meinen Blick noch einmal über die Krieger schweifen. Im Geiste zählte ich mit. Aber es blieben nur zehn Mann. Der Häuptling war verschwunden.
Ein kalter Schauer überlief mich. Mit einem Keuchen sprang ich auf. Bill sah fragend zu mir hoch, doch ich schüttelte den Kopf und bedeutete ihm, unten zu bleiben. Dann atmete ich erleichtert auf – ich hatte Sitting Bull entdeckt.
Der alte Häuptling hockte zusammengesunken jenseits des Wasserlochs im Sand und schien irgendetwas auf dem Boden zu verteilen. Ich kniff die Augen zusammen, konnte aber auf die Entfernung nicht erkennen, was er tat.
»Runter mit dir, Robert!«, zischte Bill neben mir, gerade als ich den Häuptling rufen wollte. »Willst du, dass sie uns gleich entdecken, wenn sie hier auftauchen?«
Ich warf noch einen letzten Blick zu Sitting Bull hinüber, sah aber ein, dass Bill Cody Recht hatte, und ließ mich wieder gegen den Fels sinken. Ganz gleich, was Sitting Bull vorhatte – er musste wissen, was er tat.
Eine gespannte Stille legte sich über die Szenerie. Niemand sagte mehr ein Wort. Dafür dröhnte mein eigener Herzschlag überlaut in meinen Ohren. Ich packte den Knauf meines Stockdegens fester und umschloss mit der Linken den kleinen Shoggotenstern.
Ich wusste: Wenn Necron diese Wölfe (oder was immer es war) geschickt hatte, halfen uns weder Gewehre noch Pfeile. Dann lag unser aller Schicksal allein in meinen Händen.
Mir blieb nur zu hoffen, dass ich mich irrte.
Aber diese Hoffnung war nur von kurzer Dauer. Ein schauriges Heulen durchbrach die Stille und ließ etwas in mir zu Eis gefrieren. Ich konnte fast sehen, wie die dunkle, unendlich böse Nebelwolke einer Brandung gleich über die Düne wallte.
Und dann, von einer Sekunde auf die nächste, waren sie heran!
Im ersten Moment glaubte ich tatsächlich, dass es sich um Wölfe handelte. Dann erkannte ich meinen Irrtum – diese Tiere waren größer! Größer und irgendwie schlanker, von sehnigem
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