Hexer-Edition 13: Ein Gigant erwacht
verloren.
So schwieg ich und einen Herzschlag später drehte Sitting Bull sich abrupt um und schritt zum Lager zurück.
Ich blieb stehen und versuchte Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Was hatte er damit gemeint: Er würde sterben? Ahnte er, dass Necrons Magie der seinen hoffnungslos überlegen war? Fühlte er sich schon jetzt besiegt, obwohl das letzte Gefecht noch nicht einmal begonnen hatte? Was war aus dem stolzen Häuptling geworden, als den ich ihn kennen gelernt hatte?
Ein eisiges Frösteln riss mich aus meinen Gedanken. Die Temperatur war noch weiter gefallen und klamme Kälte kroch durch meine leichte Kleidung und biss mit tausend gierigen Zähnen in meine Haut.
Ich rieb mir mit den Händen die Oberarme und wollte mich gerade umwenden und Sitting Bull folgen, als mir in der endlosen Monotonie der Wüstenlandschaft etwas auffiel.
Erst war es nur ein dunkler Fleck auf dem hellen Sand, nicht mehr als ein Schatten – aber ein Schatten, den es dort nicht geben durfte!
Wie ein formloser, finsterer Nebelhauch schien er über der Wüste zu schweben, pulsierend wie ein schlagendes Herz; unscheinbar und fast nicht zu erkennen und doch auf eine unglaublich bedrohliche Art düster.
Und dann regte er sich, dehnte sich in einer hektischen, schnellen Bewegung aus und zog sich im nächsten Moment wieder zusammen. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte die Entfernung zu dem Ding abzuschätzen, aber es war unmöglich. Die Wüste verzerrte das Bild und glaubte ich gerade noch, es nur einige Yards vor mir zu sehen, schien es im nächsten Augenblick wieder Meilen entfernt.
Eines aber erkannte ich genau: Es kam näher. Rasend schnell.
Und im nächsten Moment reagierten meine magischen Sinne.
Es war wie ein körperlicher Schlag, der mein Gehirn traf und mich mit einem schmerzhaften Keuchen zusammenfahren ließ.
Das Ding war böse. Aber es war nicht die Bosheit eines menschlichen Wesens, die wie eine Woge über mir zusammenschlug. Es war ein Instinkt animalischer Wildheit; der pure Wunsch zu töten.
Und Hunger. Eine unendliche Gier nach Leben.
Ich fuhr mit einem Schrei herum und begann wie von Sinnen zu laufen. Und kam doch kaum von der Stelle. Der weiche, nachgiebige Sand griff wie mit unsichtbaren Klauen nach meinen Schuhen und hielt sie gierig fest. Bei jedem Schritt sank ich bis zu den Knöcheln ein. Immer wieder stürzte ich, und die Entfernung zum Lager schien stetig anzuwachsen, statt dass sie kürzer wurde. Es war wie in einem schrecklichen Albtraum, in dem man einer Gefahr entfliehen will und sich nur unendlich langsam bewegen kann.
Auch Sitting Bull hatte erst die halbe Strecke zurückgelegt, als ich ihn einholte. Er blieb stehen und sah mir mit finsterem Blick entgegen. Dann wurde ihm klar, dass ich nicht etwa unser Gespräch fortführen wollte, und sein Gesicht nahm einen fragenden Ausdruck an. Ich winkte hastig ab, noch ehe er den Mund öffnen konnte, und deutete zum Lager hinüber.
»Schnell, zu den anderen«, drängte ich. »Ein neuer Angriff. Was immer die Krieger getötet hat – es kommt zurück!«
Er nickte stumm – als wüsste er schon jetzt, was da durch die Wüste auf uns zukam – und beschleunigte seine Schritte. Ich zog ihn halbwegs mit mir und nach Minuten, die mir wie Ewigkeiten erschienen, erreichten wir endlich das Lager.
Natürlich hatten uns die anderen bereits kommen sehen und aus unserer Eile ihre Schlüsse gezogen. Bill hatte nach seinem Sharps-Gewehr gegriffen und lud es gerade nach und Postlethwaite fuchtelte mit seinem Museumsstück von Revolver herum. Auch Ixmal und seine verbliebenen neun Krieger waren mittlerweile zurückgekehrt und sahen uns misstrauisch entgegen.
Ich blieb beim Feuer stehen und schnappte erst einmal nach Luft. »Dort draußen«, keuchte ich, kaum dass ich wieder zu Atem gekommen war, und deutete zu der Düne hinüber. »Ich habe nicht erkennen können, was es ist, aber es kommt genau auf uns zu. Ein dunkler Schatten.«
Ixmal übersetzte seinen Gefährten, was ich gesagt hatte, und ohne ein weiteres Wort fuhren die Indianer herum und eilten zu den Felsen, um ihre Waffen zu holen, die sie dort abgelegt hatten.
Bill nickte grimmig und schob die letzte Patrone in den Lauf seiner Büffelbüchse. Lancelot Postlethwaite sah sich gehetzt um, ließ vor lauter Nervosität seinen Revolver fallen und bückte sich umständlich danach. »Das sind bestimmt die Wölfe«, murmelte er schreckensbleich. »Bestimmt sind das diese Wölfe. Mein Gott, wir sind
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