Hexer-Edition 13: Ein Gigant erwacht
sanft und versuchte ihn mit Hilfe meiner Magie zu beruhigen. Es gelang mir nicht.
Die Quelle meiner Kraft war versiegt. Ich fühlte mich ausgebrannt, hatte die Macht in einer einzigen Sekunde verpufft wie entzündetes Magnesiumpulver. »Du hast großes Glück gehabt«, fuhr ich fort. »Nur eine Fleischwunde auf der Stirn. Nichts Ernstes.«
Er starrte auf meine Brust und verzog das Gesicht. »Gütiger Himmel, dich hat es ja ganz schön erwischt«, sagte er. »Hast du keine Schmerzen?«
Erst verstand ich gar nicht, was er meinte, dann senkte ich zögernd den Blick und sah an mir herab. Und fiel zum zweiten Male in Ohnmacht …
Sitting Bulls Sommerlager am Rosebud Creek, 22. Juni 1876
Der Sommer war heiß in diesem Jahr und zur Mittagszeit, als die Sonne ihren höchsten Stand am wolkenlosen Himmel erreichte, lag drückende Schwüle über dem Lager. Die großen Spitzzelte spendeten den Menschen Schatten, aber die Hitze, die über die weite Ebene kroch und die Luft flirren ließ, konnten sie nicht abhalten.
Ein staubiger, heißer Wind fegte von Osten heran und bedeckte die Büffelhäute der Tipis mit einem feinen, gelblichen Alkalischleier. In der Ferne glitzerte das blaue Band des Yellowstone River wie eine Verheißung von Kühle und belebender Frische, doch das Bild verzerrte sich in der glühenden Luft und verwandelte den Fluss in eine sich windende, Tod bringende Natter.
Das Lager wirkte wie ausgestorben. Nur wenige der Indianer verließen den Schutz ihrer Zelte; hier und da balgten sich ein paar Hunde um einen alten Knochen, Kinder spielten träge zwischen den Pferdegattern, eine alte Frau kam vom Fluss herüber, einen Krug Wasser auf dem Kopf balancierend.
Doch nicht allein die drückende Hitze lastete über dem Camp. Mit der staubigen Dunstglocke hatte sich noch etwas anderes unsichtbar und allgegenwärtig über die Tipis gelegt. Es schlich sich in die Herzen der Männer und erfüllte sie mit wildem Stolz. Es kroch in die Herzen der Frauen und Kinder und brachte Angst und Schrecken.
Der Geruch nach Krieg und Kampf und Tod.
Die Große Schlacht stand dicht bevor. Der alles entscheidende Feldzug gegen die weißen Soldaten, die sich immer weiter in das Land der Ahnen vorwagten.
Sitting Bull war von den Stammesführern zum obersten Häuptling gewählt worden und er hatte die Völker der Sioux vereint und hier gesammelt.
Das Lager erstreckte sich vom Rosebud Creek bis zu den Ufern des Gelben Flusses; ein Meer aus Tipis, wie es noch keines Menschen Auge je zuvor erblickt hatte. Etwa fünfzehntausend Indianer waren Sitting Bulls Ruf gefolgt, unter ihnen mehr als viertausend Krieger.
Und sie alle warteten darauf, dass der große Häuptling das Zeichen zum Angriff gab. Immer wieder blickten die Jungen und Ungeduldigen unter den Kriegern zu Sitting Bulls Zelt hinüber, das am Steilufer des Creek stand, auf einem kleinen Hügel leicht über die anderen Zelte erhoben.
Aber noch war der Häuptling nicht bereit. Noch war der Zauber nicht vollendet.
Im Halbdunkel seines großen Tipis herrschte atemlose Stille. Sitting Bull saß vornübergebeugt auf einer gewebten Decke. Vor sich hatte er den Inhalt seines »Medizinbündels« ausgebreitet – eine Sammlung magischer Talismane, getrockneter Kräuter, Felle und Tierknochen.
Im Kreis um ihn herum warteten die Stammesführer auf den Beginn der Zeremonie. Sie alle wussten nur zu gut, warum sie Sitting Bull erwählt hatten, die Sioux in den Kampf zu führen. Keiner von ihnen beherrschte die Magie so perfekt wie der alte Häuptling. Niemand sonst wäre in der Lage gewesen, die Falle zu errichten.
Sitting Bull unterbrach die endlose Litanei, mit der er die Götter gnädig gestimmt hatte, griff nach einem kleinen Stoffbeutel und öffnete ihn mit geschickten Fingern. Ein weißes Pulver quoll aus dem grauen Leinensack. Er füllte seine linke Handmulde damit, sprach ein kurzes Gebet in einer fremden, gutturalen Sprache darüber und winkte nach der Schüssel.
Crazy Horse, Zweiter unter den Häuptlingen nach Sitting Bull, erhob sich und reichte ihm die mit Wasser gefüllte Schale.
Ein grauer Dunst wie Nebel wallte auf, als der alte Häuptling das Pulver hineinrieseln ließ. Plötzlich durchzog ein scharfer, stechender Geruch das Zelt und auf der Wasseroberfläche schienen mit einem Male kleine, zuckende Irrlichter zu tanzen.
Lange Zeit schwieg Sitting Bull, saß nur da, die Augen geschlossen, und schien zu schlafen.
Es war tatsächlich so – sein Körper schlief. Sein
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