Hexer-Edition 13: Ein Gigant erwacht
ließen sie wieder aufblicken. Sie sah, wie die Männer auf den zusammengesunkenen Körper des Schamanen zutraten. Einer von ihnen griff nach dem Gewand des Alten und hob es hoch.
Mazakootemane war verschwunden, die Kutte war leer!
Sekundenlang standen die Weißen wie erstarrt da und blickten auf das graue, grobe Tuch. Dann sahen sie sich verblüfft an und begannen wild durcheinander zu reden. Sie gestikulierten und schrien und deuteten immer wieder auf das leere Gewand.
Schließlich hob einer von ihnen die Hand. Die anderen verstummten und nahmen Haltung an. Der Mann, offenbar ihr Anführer, erteilte in knappen Worten Befehle und seine vier Begleiter wandten sich um und begannen die Höhle zu durchsuchen.
Ängstlich duckte sich Monahseetah noch weiter in den Felsspalt. Sie schloss die Augen und hielt gar den Atem an. Glaubte sie, einer Entdeckung zu entgehen, nur weil sie die weißen Männer nicht mehr sah?
Durch die geschlossenen Lider hindurch bemerkte sie plötzlich, dass Licht auf ihr Gesicht fiel. Als sie die Augen wieder aufriss, sah sie, dass der Anführer der Weißen ein brennendes Scheit aus dem Feuer gezogen hatte und sich der Nische näherte.
Im nächsten Moment blieb er stehen, hob die Fackel höher, stieß einen leisen Pfiff aus und deutete auf Monahseetah. Seine Kameraden fuhren herum und kamen näher. Sie zerrten das Mädchen aus der Dunkelheit ans Licht.
Auch jetzt verstand Monahseetah nichts von dem, was sie sagten. Dafür kannte sie die Blicke der Weißen nur zu gut.
Gierige Blicke, die ihren jungen Körper musterten, über die wohl geformten Brüste strichen, die sich durch den Stoff ihres Kleides deutlich abzeichneten, über ihre schmalen Hüften und die langen, nackten Beine.
Einzig der Blick des Anführers blieb unbewegt und kalt und als einer der Männer die Hand ausstreckte, um die Wange der jungen Indianerin zu berühren, brüllte er einen knappen Befehl, der die vier Männer erstarren ließ. In einer Geste, die wie zufällig wirkte, es aber ganz und gar nicht war, fiel seine Hand auf das Holster seines Revolvers. Fast eine Minute lang redete er lautstark auf die Männer ein und schließlich ergriffen sie Monahseetah nur bei den Armen, warfen ihr eine Decke über und zerrten sie mit sich in den ewigen Schnee und die Kälte hinaus …
Wir hatten die Schlucht und das Grab des indianischen Wachpostens hinter uns gelassen und waren in die ersten Ausläufer der Mojave-Wüste vorgestoßen.
Noch gab es Zeichen von Leben ringsum; verkrüppelte Bäume von niedrigem Wuchs, kleine Inseln Wüstengras, hie und da sogar einen Gecko oder einen Wüstenfuchs.
Letztere konnte ich sogar genauer studieren – an den Gürteln der Indianer, die, sobald sie ein Lebewesen erblickten, zu Pfeil und Bogen griffen und selten ihr Ziel verfehlten. Ich fragte mich, was sie wohl mit den Tieren anfangen wollten. Die Füchse gaben wenigstens noch gute Pelze ab, aber die ekligen grünen Echsen konnte ich mir nur als ausgestopfte Studienexemplare im verstaubten Gerätemagazin einer Universität vorstellen. Ich ahnte nicht, dass ich das Rätsel bereits am Vortag gelöst hatte – indem ich gemeinsam mit den Indianern zu Abend gegessen hatte.
Wir waren gegen zehn Uhr morgens aufgebrochen, nachdem wir den Toten beerdigt und das Klagezeremoniell der Indianer vom Götterberg über uns hatten ergehen lassen. Wenn die Felsen auch Schutz gegen die Sonne geboten hatten, so waren wir doch alle froh, sie endlich verlassen zu können.
Uns allen klang noch das schreckliche Heulen im Ohr, das eine volle Stunde gewährt und dann so plötzlich geendet hatte, wie es begann. Postlethwaite war noch immer überzeugt davon, dass es nur Wölfe sein konnten. Die Indianer waren auf seine Bitte hin ausgeschwärmt und hatten Ausschau nach dem Rudel gehalten.
Sie hatten nichts gefunden. Natürlich nicht. Ich hatte es gleich gespürt. Und auch die anderen hatten nach und nach einsehen müssen, dass wir es hier mit mehr als einer zwar furchtbaren, aber wenigstens normalen Gefahr zu tun hatten.
Das Heulen war von überall her gekommen, ohne dass wir seinen Ursprung hatten feststellen können. Und es hatte auf schwer in Worte zu fassende Weise böse geklungen.
Es war einer meiner Albträume. Und diesmal war er Realität gewesen; so wirklich, dass selbst die anderen ihn miterlebten. Nicht, dass die Gefahr deshalb zu unterschätzen gewesen wäre; ganz im Gegenteil. Ich hatte am eigenen Leib erfahren, wie real diese Träume werden
Weitere Kostenlose Bücher