Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York
Gegenstück allen Daseins, allen Lebens. Eine Kreatur des Unmöglichen … eine Versuchung der Götter!
Und gleichzeitig wurde mir klar, wie klein und unbedeutend ich dagegen war. Ein Nichts, dessen magische Kräfte versagen mussten angesichts dieses schwarzen Gottes.
Tief in meinem Inneren erwachte eine lodernde Flamme und riss mich in die Wirklichkeit zurück. Das waren doch nicht meine Gedanken!
Du hast Recht, Robert, flüsterte eine Stimme in meinem Gehirn, leise und unendlich weit entfernt. Ich erkannte sie trotzdem. Immer würde ich sie erkennen, wo sie mich auch ansprach, und aus welchem Mund sie auch erklang.
Es war die Stimme meines Vaters!
Die Stimme Roderick Andaras.
Es ist der Golem, wisperte sie. Es ist die Stimme seiner Existenz. Die Macht, die ihm das Leben gibt. Wehre dich gegen sie oder sie wird dich verderben!
»Vater!« Ich schluchzte auf und wand mich in körperlosen Schmerzen. Das Wort hallte noch immer in mir wider, stärker noch als zuvor. Und ich konnte mich nicht dagegen wehren. Mein Widerstand war so nichtig, so vermessen …
Nein, Robert, wehte die leise Stimme heran und zerfaserte, noch bevor ich danach greifen konnte. Du allein hast die Kraft ihm zu widerstehen! Du bist stark, Robert! Benutze das Erbe! Setze es ein, oder du bist verloren!
Ich schwamm in einem Meer der Stille. Alles um mich herum war Frieden. Keine Gefahr. Keine Gefahr …
Robert! Diesmal war die Stimme ein Brüllen, so laut und nah, dass ich herausgerissen wurde aus den trügerischen Visionen und zurückgeschleudert in die Wirklichkeit. Für einen winzigen Moment stand das Bild meines Vaters so deutlich vor meinem geistigen Auge und brannte sich in meinen Geist, dass ich mit einem Schrei hochfuhr und die Augen aufriss.
Dann verstummte sie und verschwand in den Tiefen der Unendlichkeit.
Aber der Bann war gebrochen. Die hypnotische Kraft, die von dem Golem ausging, hatte keine Gewalt mehr über mich. Ich ahnte, dass mein Vater all seine Kräfte für diesen einen Schrei verbraucht hatte. Für diesen Ruf, der mich gerettet hatte.
Und keine Sekunde zu spät! Aus den Augenwinkeln sah ich die massige Gestalt des Golems neben mir aufwachsen, die Klauen hoch erhoben. Stinkender, ätzender Atem wehte mir ins Gesicht und brannte auf meiner Haut.
Ich ließ mich gedankenschnell zur Seite fallen. Die Mauer erbebte, als die Fäuste des Golems den Stein trafen; genau an der Stelle, an der sich gerade noch mein Kopf befunden hatte. Ich rollte mich ab, kam wieder auf die Füße und zerrte eine der Magnesiumfackeln unter meinem Rock hervor.
Im ersten Moment bemerkte ich gar nicht, dass sie sich seltsam … weich anfühlte und unter meinem Griff nachgab. Erst als ich ein Streichholz anriss und die Fackel entzünden wollte, sah ich, was ich da in der Hand hielt.
Der Anblick war so skurril und irreal, dass ich Sekunden brauchte, um das Bild überhaupt zu akzeptieren.
Es war eine Wurst! Eine von diesen unterarmlangen, mit Garn umwickelten Dauerwürsten, die auf jedem Markt zu finden sind.
Hinter mir tönte helles, schrilles Lachen auf. »Los, schlag ihm das Ding über den Schädel, Bob«, krähte eine Stimme. »Oder willst du ihn zum Picknick einladen?«
Dieser verdammte, hirnrissige Kobold!
»Ich bringe dich um, Gurk!«, brüllte ich meine Wut heraus. »Ich drehe dir deinen hässlichen, unnützen Hals herum!«
»Aber, aber«, tadelte Gurk und kugelte auf den Rücken. Seine gelben Eulenaugen leuchteten in der Dunkelheit. »Ich versuche doch nur, die Sache etwas spannender zu machen. Sei so lieb und pass auf; da kommt jemand mit einer Beschwerde.«
Ich wirbelte wieder herum und duckte mich unter einen tödlichen Hieb hindurch. Der Golem knurrte dumpf und holte zu einem neuen Schlag aus.
Ich warf ihm die lächerliche Wurst entgegen und hechtete zur Seite. Der Keller war recht geräumig und wenn ich ihn nahe genug an eine der Wände heranlocken konnte, war auf der anderen Seite genügend Platz, ihn zu umgehen.
Mein Fuß stieg gegen etwas Großes, Hartes. Ich bückte mich und ertastete einen massiven Mauerstein, der irgendwann aus der Decke gebrochen sein musste. Jetzt konnte er mir als Waffe dienen! Ich stemmte ihn hoch, wartete, bis der Koloss auf zwei Yards herangekommen war und warf den Quader mit aller Kraft.
Ein dumpfes, schwammiges Geräusch ertönte und mit dem Stein platschte kochendes, totes Gewebe zu Boden. Der Golem schlug wie rasend um sich und wankte vorwärts, aber ich war längst zur Seite ausgewichen und
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