Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York
nicht, wie William in den Saal stürmte.
»Hank, bist du hier? Was ist denn -«
William Barry verstummte. Er blieb abrupt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand geprallt, und starrte fassungslos auf die unglaubliche Szene. Seine restlichen Worte wurden zu einem sinnlosen Gestammel.
Der Kopf der Mumie ruckte herum.
Im gleichen Moment fiel der Bann von Hank O’Keefe ab. Er wankte zurück. Ein unmenschlicher Schrei entrang sich seiner Kehle. In seinem Kopf rasten die Gedanken.
»Weg hier, Will!«, brüllte er und stolperte auf den Ausgang zu. »Schnell raus hier! Lauf!«
Dann war er bei seinem Kollegen und zerrte den fassungslosen Mann einfach mit sich. William stammelte noch immer sinnlose Worte vor sich hin und schien kaum wahrzunehmen, was um ihn herum geschah.
Hinter den beiden Männern zersprang ein zweiter Glaskasten, dann ein dritter. Ein dumpfes, singendes Heulen übertönte den Donner und tappende Schritte hallten von den Wänden wider.
Williams Blick klärte sich. Er blieb stehen und starrte Hank an. »Der Tag des Jüngsten Gerichtes«, flüsterte er heiser. »Die Toten erwachen!«
»Komm weiter! Verdammt, Will, wir müssen raus hier, oder wir sind verloren!«, brüllte O’Keefe und packte den Freund bei den Rockaufschlägen. »Lauf doch, verflucht nochmal. Lauf!«
Sein Blick fiel über Williams Schulter. Unter dem großen Rundbogen zum Ägyptischen Saal waren drei dürre, gebückte Gestalten erschienen. Ihre ausgestreckten Arme deuteten wie anklagend auf die beiden Männer. Aus ihren offenen Mündern wehte das furchtbare Singen heran, dieser dumpfe, an- und abschwellende Ton, der Hank das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Wir sind verloren … alle sind verloren«, stammelte William und sein Blick ging durch Hank hindurch in unendliche Fernen. »Wir können nicht fliehen, Hank. Wir können nicht …« Seine Stimme schlug um und ein irres Kichern brach über seine Lippen.
O’Keefe wankte von ihm fort. Blut rann über seine zerbissenen Lippen und tropfte auf die Uniformjacke. Er spürte den Schmerz kaum. Immer weiter wich er zurück, den Blick starr auf die mumifizierten Leichen gerichtet.
Sie kamen heran. Sie erreichten William, der noch immer an derselben Stelle stand. Hank sah, wie sein Freund plötzlich nach vorn kippte und hart auf das Parkett aufschlug.
Dann hatte er das Hauptportal erreicht.
Seine Finger tasteten in blinder Hast über das schwere, spröde Holz, suchten die Klinke.
Und die Gestalten kamen näher … näher …
Die Haut über den Knöcheln riss auf, als er in Panik gegen die Eichenbohlen schlug. Seine Hände huschten hin und her, suchten – und er konnte den Blick nicht von den Leichen wenden, die nur noch zehn Yards entfernt waren … neun … acht …
Endlich stießen seine Finger gegen kühles Metall. Er fuhr mit einem verzweifelten Schrei herum und drückte die Klinke nieder.
Die Pforte war verschlossen!
Der Golem!
Obwohl ich doch auf den grauenhaften Anblick vorbereitet sein musste, erschrak ich bis ins Mark.
Da stand er: ein Gigant der Hölle, von Säure durchpulst, mit brodelnder, Blasen werfender Haut.
Ein Fleisch gewordener Albtraum, ein Wesen, das nicht leben durfte – und das doch die Treppe herab und auf mich zu wankte. Hinter ihm blieb eine schleimige Spur zurück, noch immer kochend und dampfend, die sich selbst in den massiven Stein zu fressen schien. Ölig schimmernde Tropfen lösten sich von seinem Körper und platschten zu Boden und der Gestank nach Salpeter wurde unerträglich.
Unendlich langsam hob er die Arme und öffnete seinen Mund! Ein einziges, kehliges Wort kam über die siedenden Lippen des Monstrums.
»Duuuu …«
Eine eiskalte Hand packte mein Herz und presste es zusammen. Irgendetwas in mir bäumte sich auf und Tränen schossen in meine Augen.
In diesem einen Wort hatte so viel Leid, so viel Schmerz gelegen … und gleichzeitig solch eine unbändige Wut, dass mein Gehirn sich einfach weigerte, das Wort aufzunehmen.
Mit einem Schrei riss ich die Hände vor die Ohren und stolperte blindlings zurück. Der Stockdegen fiel mit einem metallischen Geräusch zu Boden, aber dessen wurde ich mir gar nicht bewusst. Das Wort, dieser furchtbare, alles übertönende Laut hallte tausendfach in mir wider und ließ feurige Kreise vor meinen Augen tanzen.
Zum ersten Mal begriff ich wirklich, was der Golem war. Nicht einfach ein künstlich erschaffenes Wesen, nein. Er war ein Luzifer, ein gefallener Engel. Das bizarre
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