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Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Titel: Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bull leise. Und plötzlich begriff ich, dass er ganz genau wusste, was ich dachte. Er hatte gewollt, dass ich diesen Gedanken dachte.
    »Nein«, sagte ich.
    Sitting Bull lächelte traurig. »Ich verstehe dich«, sagte er sanft. »Aber es steht mehr auf dem Spiel als ihr Leben.« Er deutete auf Priscylla, dann auf sich selbst. »Oder meines oder das deine«, fuhr er fort. »Slaugthers Soldaten, Ixmal und seine Krieger, wir alle hier – niemand wird die Nacht überleben, wenn wir dem Bösen nicht Einhalt gebieten. Und vielleicht werden noch sehr viel mehr Menschen sterben, wenn sich das Böse ausbreitet, Robert.«
    Er hatte Recht. Es änderte nichts an meiner Liebe zu Priscylla und meinem verzweifelten Entschluss, ihr Leben zu verteidigen, aber er hatte Recht. Die Mächte des NECRONOMICONS, entfesselt und ungelenkt, die über eine ahnungslose Welt hereinbrachen – der Gedanke war unvorstellbar.
    »Ich kann es nicht«, flüsterte ich. »Nicht um alles in der Welt, Sitting Bull.«
    »Ich weiß«, sagte der alte Indianer. »Wenn es dein Wunsch ist, dann … werde ich es tun.«
    Jeden anderen hätte ich wahrscheinlich allein um dieser Worte willen umgebracht. Aber ich spürte, dass Sitting Bull es ehrlich meinte.
    »Es … würde deinen Tod bedeuten«, sagte ich stockend. Obwohl ich mich mit aller Macht dagegen wehrte, füllten Tränen meine Augen. Meine Stimme begann zu zittern, so heftig, dass ich meine eigenen Worte kaum mehr verstand.
    »Ich weiß«, antwortete Sitting Bull ruhig. »Deshalb bin ich es, der dir diesen Vorschlag macht.« Er lächelte milde. »Ich bin ein alter Mann, mein Freund. Die Spanne, die ich noch zu leben habe, ist nicht mehr sehr lang. Der Tod schreckt mich nicht. Und ich rette das Leben sehr vieler anderer damit.«
    »Vielleicht«, antwortete ich, noch immer verzweifelt nach Ausflüchten und Gründen suchend, die Sitting Bulls Vorhaben unmöglich machen würden. »Es … es könnte sinnlos sein. Was, wenn … wenn es dich umbringt, ohne dass du ihm schaden kannst?«
    »Das wirst du verhindern«, antwortete er. Das Schlimme war, dachte ich entsetzt, dass er es nicht verlangte. Ich war sicher, dass Sitting Bull, Annie und Buffalo Bill mich mit Leichtigkeit überwältigen und festhalten konnten, um das Buch auch gegen meinen Willen zu vernichten. Aber sie überließen mir die Wahl. Sie stellten mich vor die grausame Alternative, das Leben von dreißig oder vierzig Unschuldigen gegen das Priscyllas aufzuwiegen.
    »Nun?«, fragte Sitting Bull nach einer Weile.
    Ich antwortete nicht, sondern drehte mich mit einem Ruck um und starrte an Annie vorbei gegen die Zeltwand. Tränen rannen über mein Gesicht, aber diesmal versuchte ich nicht einmal mehr sie zurückzuhalten. In meiner Brust begann sich ein tiefer, unglaublich kalter Schmerz auszubreiten. Verzeih mir, Priscylla, dachte ich, immer und immer wieder. Und nach einer Weile hörte ich, wie Sitting Bull hinter mir mit monotoner Stimme uralte Beschwörungsformeln zu flüstern begann …
     
    In einer halben Stunde würde die Sonne aufgehen und obwohl sie die Wüste binnen Minuten in einen gigantischen Backofen verwandeln würde, war es jetzt noch so kalt, dass mein Atem vor meinem Gesicht sichtbar wurde. Meine Hände zitterten und ich musste mich zu jedem einzelnen Schritt zwingen. Unsichtbare Zentnerlasten zerrten an meinen Beinen und in mir war eine lautlose Stimme, die immer und immer wieder schrie, dass ich herumfahren und Priscylla mit mir nehmen solle, um zu rennen, so weit ich nur konnte.
    Stattdessen ging ich weiter auf das prasselnde Feuer zu. Priscylla lag schlaff in meinen Armen, schlafend, aber mit offenen Augen. Sie kam mir sonderbar leicht vor. Das glückliche Lächeln auf ihren Zügen war eine böse Verhöhnung der Gefühle, die in mir tobten.
    Wie Sitting Bull von Slaugther die Erlaubnis für eine zweite Beschwörung erlangt hatte, wird mir wohl auf immer ein Rätsel bleiben. Vielleicht hatte er ihn schlichtweg hypnotisiert – etwas, das ich dem alten Sioux ohne weiteres zutraute. Aber gleichwie, es war alles bereit: Das Feuer loderte wieder so hoch wie beim ersten Mal und Ixmals Indianer bildeten einen weiten Halbkreis um den lodernden Holzstapel. Slaugthers Soldaten waren beinahe unsichtbare Schatten in der Dunkelheit ringsum. Alles schien wie beim ersten Mal.
    Nur, dass es diesmal kein Rettungsversuch, sondern eine Hinrichtung sein würde.
    Sitting Bull blieb stehen und deutete mit einer Kopfbewegung zu Boden. Behutsam ließ ich

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