Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York
Kettenhemd, das unter den verschmorten Resten seines Templergewandes sichtbar war, glühte. Dünne graue Rauchfäden kräuselten sich von seinen Schultern. Sein Gesicht und seine Hände waren schwarz.
Aber sie waren nicht verbrannt.
Das Ding, das vor mir stand, war kein Mensch.
Es war eine Kreatur, die wie die böse Karikatur eines Menschen aussah.
Alles an ihm war schwarz, ein Schwarz von einer Tiefe, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Seine Hände waren Klauen, schrecklich verkrümmte schwarze Krallen aus Horn, und sein Gesicht eine Maske des Entsetzens, schmal, grausam, mit kleinen matten Knopfaugen wie Kugeln aus Stahl, die in eine Maske aus dem gleichen Material eingelassen waren. Der Mund ein Schlitz, aus dem ein fürchterliches, zischendes Lachen kam.
Hinter mir krachte ein Schuss. Ich sah, wie die Kugel gegen seine Stirn schlug, so präzise zwischen seine Augen platziert, dass an der Identität des Schützen kein Zweifel mehr blieb, und als Querschläger davonheulte. Die Horrorgestalt wankte nicht einmal.
Plötzlich krachten irgendwo in der Dunkelheit hinter uns mehr Schüsse. Menschen schrien, ein Pferd kreischte in irrsinnigem Schmerz, von einer fehlgeleiteten Kugel getroffen, dann krachte eine ganze Gewehrsalve. Etwas Dunkles, Unmenschliches huschte dicht am Rande meines Gesichtfeldes vorbei und tötete einen von Ixmals Männern.
Und endlich erwachte ich aus meiner Erstarrung. Mit einem verspäteten Schreckensschrei prallte ich zurück, stolperte über Sitting Bull und schlug rücklings auf den Boden. Die Templer-Karikatur vor mir kicherte böse, folgte mir und blieb abermals stehen. Eine ihrer schrecklichen Klauen streckte sich aus und half Priscylla auf die Füße; die andere, noch immer schwelend, umklammerte das Buch. Es war nicht einmal beschädigt.
Mühsam richtete ich mich auf, kämpfte die Mischung aus Entsetzen und ohnmächtigem Zorn nieder, die sich meiner bemächtigt hatte, und versuchte den Blick des Unheimlichen zu fixieren. Mit aller Macht konzentrierte ich mich.
»Lass es fallen«, sagte ich. »Wirf es ins Feuer!«
Die Gestalt zögerte. Irgendetwas änderte sich im Blick ihrer entsetzlichen Augen, aber ich konnte nicht erkennen, was es war: Furcht oder Spott.
»Wirf es ins Feuer!«, sagte ich noch einmal. Ich unterstrich meine Worte mit aller suggestiven Macht, die ich aufbringen konnte.
»Du verschwendest deine Kräfte, Robert Craven«, sagte eine Stimme hinter mir. Eine Stimme, die ich kannte.
Ich fuhr herum, sprang halbwegs auf die Füße und erstarrte mitten in der Bewegung.
Das Lager hatte sich in ein Chaos verwandelt, einen Hexenkessel aus Schreien und Schüssen und rennenden Gestalten, aber von alledem sah ich kaum etwas. Mein Blick hing wie gebannt auf der schmalschultrigen, weißhaarigen Gestalt im Zeremoniengewand eines Templers, die, begleitet von einem zweiten Monster-Mann, wenige Schritte hinter mir aufgetaucht war.
»Balestrano?«, flüsterte ich. »Sie?«
»Ich.« In Jean Balestranos Stimme war eine Härte, die mich schaudern ließ. Hass, dachte ich. Das war Hass, den ich hörte. Hass auf mich? Aber warum? »Überrascht, mich zu sehen?«
Wieder krachten Schüsse, eine ganze Salve diesmal, die den Boden dicht neben Balestrano und seinem schrecklichen Begleiter aufspritzen ließen. Balestrano zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sein Blick war starr auf mich gerichtet. Seine Augen brannten vor Hass.
»Jetzt bezahlst du, Robert Craven«, sagte er. »Für alles.«
»Bezahlen? Was …« Plötzlich begriff ich. »Das war Ihr Werk«, flüsterte ich entsetzt. »Sie haben diese … diese Kreaturen gerufen.«
»Ja!«, schrie Balestrano. »Um dich zu vernichten, Craven! Ich habe es geschworen und ich werde es tun! Jetzt!«
Und dann geschah etwas Sonderbares. Die Schatten hinter ihm hörten auf miteinander zu kämpfen und zwei weitere der schwarzen Albtraumgestalten erschienen neben Balestrano. Vereinzelt krachten noch Schüsse und ich hörte hastige, trappelnde Schritte. Aber der Kampf war so rasch vorbei, wie er begonnen hatte. Ich begriff, dass es nur diese drei Ungeheuer gewesen waren, die Slaugther und seine Soldaten angegriffen hatten.
Wie um meinen Gedanken zu bestätigen, tauchte in diesem Moment Captain Slaugther selbst hinter Balestrano auf, eine Winchester in der Hand, deren noch rauchende Mündung auf den Rücken des alten Mannes zielte. Er schien instinktiv erkannte zu haben, dass Balestrano der Anführer der Angreifer war.
»Nicht, Captain«,
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