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Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Titel: Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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müsstest du heute Nacht bei uns schlafen, statt umgekehrt«, sagte Howard mit einem müden Lächeln, als ich schnaubend einen der Koffer aufnahm und zusah, wie sich Rowlf die drei anderen Gepäckstücke ohne sonderliche Anstrengung unter die Arme klemmte. Ich setzte zu einer scharfen Erwiderung an, sagte aber dann kein Wort, sondern drehte mich stattdessen stirnrunzelnd herum.
    Die Wache war nicht leer. Trotz der vorgerückten Stunde befand sich ein gutes Dutzend Leute in dem kleinen, überheizten Raum – eine dickleibige Frau, die mit schriller Stimme einen Polizisten anschrie und ihren Schirm wie eine Keule schüttelte, zwei Betrunkene, die wohl keinen Platz mehr in der Ausnüchterungszelle gefunden hatten, zwei grell geschminkte Dirnen, die in Begleitung eines geschniegelten Burschen gekommen waren, dem man den Zuhälter schon auf eine Meile ansah, und eine Reihe ganz normal aussehender Bürger.
    Und die Stimme von einem von ihnen hatte einen vertrauten Klang.
    »Worauf wartest du?«, fragte Howard ungeduldig.
    Ich machte eine ungeduldige Kopfbewegung, setzte meinen Koffer wieder ab und trat auf den leicht untersetzten Mann zu, dessen voluminöser Bart und wilder Schopf mir nur allzu bekannt vorkamen. Er war gerade dabei, ein Protokoll zu unterschreiben, während ein Polizeibeamter auf der anderen Seite der Theke mit leiser, nicht sehr freundlich klingender Stimme auf ihn einsprach. Der Bärtige grunzte eine Antwort, schraubte seinen Füllhalter zu und stieß ihn mit einer überaus heftigen Bewegung in die Brusttasche seines groben Arbeitsjacketts.
    Als er sich herumdrehte, um aus der Wache zu stampfen, vertrat ich ihm den Weg. Und im gleichen Moment wusste ich, dass ich mich nicht getäuscht hatte.
    Er jedoch erkannte mich offensichtlich nicht, denn seine einzige Reaktion bestand aus einem unwilligen Stirnrunzeln und dem Versuch, mir mit einem raschen Schritt seitwärts auszuweichen.
    »Nun, Mel«, sagte ich lächelnd. »Ärger mit der Polizei?«
    Er blieb stehen, blinzelte, maß mich mit einem sehr langen, aber nicht sehr geduldigen Blick und runzelte abermals die Stirn. Für einen Moment glaubte ich fast, so etwas wie Erkennen in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Aber dann verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck eher noch. »Wer sind Sie?«, fragte er.
    »Nun sag bloß noch, du erkennst mich nicht«, sagte ich grinsend. »So lange ist es doch noch gar nicht her. Oder wirst du allmählich alt?«
    Melville starrte mich an. Einen Herzschlag lang blieb sein Blick an der weißen Strähne in meinem Haar und an meinem Bart haften (natürlich; ich hatte ihn mir erst nach meiner Abreise aus New York wachsen lassen!), dann klappte sein Unterkiefer herunter und seine Augen wurden rund. »Robert?«, murmelte er. »Bist … du das?«
    »Wenn ich keinen Zwillingsbruder habe, von dem ich selbst nichts weiß, ja«, erwiderte ich feixend.
    Melville schwieg einen Moment und der verblüffte Ausdruck auf seinen Zügen nahm noch zu. Dann schüttelte er den Kopf, hob die Hand, wie um mich an der Schulter zu ergreifen, wie er es früher oft getan hatte, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern schüttelte nur abermals den Kopf. »Ist verdammt lange her«, sagte er. »Du hast dich verändert.« Er lächelte. »Hast es zu was gebracht, wie?«
    »Wie kommst du darauf?«
    Mel deutete mit einer Kopfbewegung auf meinen Anzug. »Das Ding kostet einen Monatslohn für unsereins«, sagte er. »Wo bist du gewesen? Wir haben alle gedacht, es hätte dich irgendwie erwischt. Oder du wärest im Knast.«
    »Viel hat auch nicht gefehlt«, bekannte ich. »Aber das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie dir später. Komm mit, jetzt stelle ich dich erst einmal meinen Freunden vor.« Damit packte ich ihn kurzerhand am Arm, zog ihn herum und deutete zuerst auf Howard, dann auf Rowlf. »Darf ich vorstellen? Mister Howard Philipps Lovecraft und sein Freund und Leibdiener Rowlf. Und das«, fügte ich mit einer Geste auf Mel hinzu, »ist Herman Melville. Ein guter alter Freund von mir. Die Prügel, die ich von ihm bezogen habe, kann ich schon gar nicht mehr zählen.«
    »Diener?« Mel gab sich keine sonderliche Mühe, das Grinsen aus seinem Gesicht zu verbannen, mit dem er zuerst Rowlf, dann Howard maß.
    »Lass dich nicht von Äußerlichkeiten täuschen«, sagte ich hastig. »Howard ist nicht das, was er scheint. Das gehört zu der Geschichte, die ich dir erzählen muss«, fügte ich hinzu.
    Mel nickte. »Schon gut. Du hast schon immer eine

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