Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
Holster zurück und konzentrierte sich darauf, sein Pferd zu noch schnellerem Galopp anzutreiben. Chalef hatte Mühe, nicht den Anschluss an seinen Herrn zu verlieren.
Trotz allen Bemühens jedoch, trotz des wütenden Sturms, trotz des dunkler und dunkler werdenden Himmels, schmolz sein Abstand zu den Verfolgern zusehends. Inzwischen waren sie so nahe herangekommen, dass eine Gewehrkugel jetzt vielleicht doch Aussichten gehabt hätte, ihr Ziel zu treffen. Dennoch machte Henry Baskerville keine Anstalten, abermals nach dem Gewehr zu greifen. Auch wenn er möglicherweise sein Leben aufs Spiel setzte, widerstrebte es ihm zutiefst, auf Männer zu schießen, die letzten Endes nur den Gesetzen ihrer Kultur gehorchten.
Die Dharan machten allerdings ebenfalls keinen Gebrauch von ihren Feuerwaffen. Ein gutes Zeichen? Wohl eher ein böses, dachte Baskerville düster. Offenbar wollten ihn die Beduinen lebend in die Hände bekommen. Und was sie dann mit ihm anstellen würden …
Er beugte sich tief über den Hals seines Reittiers, um dem Wind möglichst wenig Widerstand entgegenzusetzen und das Fortkommen zu verbessern.
Aber es war aussichtslos. Die Wüstensöhne hatten anscheinend die besseren Pferde und waren fraglos auch die besseren Reiter. Dichter und dichter schlossen sie auf. Schon war deutlich ihr heiseres Triumphgeschrei zu vernehmen. Sie wähnten sich ihres Opfers völlig sicher.
Noch zehn Pferdelängen, acht, sechs, vier …
Henry Baskerville war schon im Begriff, sein Reittier zu zügeln und schlichtweg aufzugeben, als es geschah.
Plötzlich zuckte ein gleißender Blitz nieder, begleitet von einem krachenden Donnerschlag, der den Männern fast die Trommelfelle platzen ließ, und schlug genau in der Mitte zwischen Verfolgern und Verfolgten in den Wüstensand ein. Doch es war kein Blitz, wie er bei einem normalen Gewitter vorkam – ein solches hatte den Sandsturm auch gar nicht begleitet. Es war ein Blitz, wie er weder Henry Baskerville und Chalef noch den Beduinen jemals zu Augen gekommen war. Grell zwar und schmerzhaft für die Netzhaut des menschlichen Auges, aber nicht lichtweiß, sondern von einem krankhaft leuchtenden Rot, das unwillkürlich an … Blut denken ließ. Und er ließ in seiner gleißenden Säule scharf umrissene Konturen erkennen!
Die Gestalt eines tanzenden Derwischs, eines Dschinns oder eines rächenden Engels.
Sekundenlang hing der geheimnisvolle Blitz wie zu Eis erstarrt zwischen Himmel und Erde. Die Pferde der Beduinenkrieger bäumten sich auf, als seien sie gegen eine Wand geprallt, und mehr als eines warf seinen Reiter ab und ging schlichtweg durch. Die Dharan, nicht weniger erschrocken als ihre Reittiere, zerrten heftig an den Zügeln, rissen die Pferde herum und jagten in wilder Flucht in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Sie schienen Baskerville und seinen Diener völlig vergessen zu haben.
Die grellroten Linien des Blitzes verblassten. Und fast so, als ob das Verschwinden der Leuchterscheinung ein geheimes Zeichen an die Natur gewesen wäre, kam auch der Sturm zum Erliegen. Die hochgepeitschten Sandkörner sanken zu Boden, mit einem Male ihrer Kraft beraubt, das Heulen des Winds wurde zu einem Säuseln, der Schleier vor der untergehenden Sonne zerriss. Plötzlich lag eine friedvolle Wüste im sanften Abendrot vor Henry Baskerville und seinem Diener.
Die beiden brauchten eine ganze Weile, um sich von dem Schock zu erholen. Chalef war der Erste, der wieder Worte fand.
»Allah hat uns gerettet«, sagte er und deutete zum Himmel hinauf. »Er hat uns einen Dschinn gesandt, um die Dharan zu vertreiben.«
»Einen Dschinn?«, wiederholte Baskerville verwirrt. »Nun, ich würde eher sagen, dass es ein guter Engel war.« Dann erst kam ihm richtig zu Bewusstsein, was er da von sich gegeben hatte, und er lachte laut auf.
Dschinns?
Engel?
Er glaubte weder an das eine noch an das andere. Er war ein nüchterner, aufgeklärter Mensch, der mit beiden Füßen fest auf dem Boden der Tatsachen stand. Für übernatürliche Dinge war in seinem Denken kein Platz. Sie gehörten in den Bereich von Ammenmärchen, Aberglauben und krankhafter Einbildung.
»Alles Unsinn«, sagte er. »Es war ein Blitz, sonst gar nichts!«
Chalef schüttelte heftig den Kopf. »Kein Blitz! Die riesenhafte Gestalt, die wir gesehen haben …«
»Eine Luftspiegelung«, erklärte Baskerville überzeugt. »So etwas wie eine Fata Morgana. Schließlich befinden wir uns in der Wüste, nicht wahr?«
»Das war
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