Hexer-Edition 17: Das Auge des Satans
nicht auf seine Drohung, sondern überlegte verzweifelt, wie ich Ali helfen konnte. Mich ebenfalls auf die Statue zu stürzen und mit meinem Degen auf sie einzuhacken, erschien mir reichlich sinnlos. Ich sah nur eine einzige Chance für uns: Ich musste die unheimliche Kraft, die diese Statue zum Leben erweckte, zum Versiegen bringen.
Zuerst hielt ich den magischen Rubin, den Nizar wie immer in seiner Hand hielt, für die Quelle allen Übels und konzentrierte mich darauf. Der Edelstein gab jedoch nicht mehr Energie ab als ein ausgeglühtes Stück Kohle. In fieberhafter Hast durchforstete ich den Raum und spürte einen steten Strom magischer Kraft nahe dem Diwan scheinbar aus dem Nichts hervorquellen.
Nur für einen Moment. Dann zerriss das rote Licht neben Nizars Thron mit einem spürbaren Ruck und plötzlich war ein weiterer Raum da, vollkommen leer bis auf ein mit roten Kacheln verkleidetes Bassin, das von einem schwarz gezeichneten, magischen Kreis umgeben war. In einer fluoreszierenden Flüssigkeit schwamm eine flache Schale, die aus einem einzigen Rubin geschnitten war. Und diese Schale trug eine handtellergroße Linse aus einem dunklen Material, das so fremdartig war, dass es nicht von dieser Erde stammen konnte.
Es dauerte eine Sekunde, bis ich die Ausstrahlung dieser Linse identifizierte.
Es war die Kraft der GROSSEN ALTEN, die wie ein mächtiger Strom aus ihr herausfloss und Nizar mit neuen Energien versorgte! Auch die Statue verdankte ihr unheilvolles Leben dieser Linse, die mir wie ein bösartiges Auge entgegenleuchtete.
Und dann begriff ich.
Ich hatte das fünfte SIEGEL gefunden …
Ein gellender Schrei, gefolgt von Nizars höhnischem Gelächter, riss mich in die Wirklichkeit zurück.
Während mein Blick fassungslos auf dem Auge des Satans geruht hatte, war Alis Position immer aussichtsloser geworden. Die Statue hatte ihn bis an die Wand zurückgetrieben und wollte ihn eben packen, um ihm endgültig den Garaus zu machen.
Hastig konzentrierte ich mich auf das SIEGEL und versuchte den Kraftstrom abzulenken, der sich zwischen ihm und Nizar spannte. Aber wieder schien es, als hätte ich den fetten Zauberer unterschätzt. Es gelang mir nur, das Band aus unsichtbarer Energie etwas ins Schwanken zu bringen, nicht, es zu zerreißen. Doch dies reichte aus, um die Statue für einen Moment erstarren zu lassen.
Ali nützte die Chance, die ihm geboten wurde, auf der Stelle. Er fasste den Griff des Säbels mit beiden Händen, riss die Waffe empor und führte einen gewaltigen Hieb gegen den Schädel seines metallischen Gegners. Diesmal durchschlug die Schwertklinge krachend die Bronzehaut und spaltete der Statue den Kopf bis auf den Hals.
Mit einem zornigen Kampfruf zog Ali die Waffe zurück und gab der wankenden Statue einen Fußtritt, der sie nach hinten kippen ließ. Der Raum erzitterte, als der Metallkoloss zu Boden schlug und die kostbaren roten Fliesen zermalmte. Gleichzeitig breiteten sich Risse nach allen Seiten aus. Der schwarze Kreis, der um das Bassin mit dem geheimnisvollen Auge lag, zersprang klirrend und wurde matt. Die Flüssigkeit im Bassin schwappte über. Die Rubinschale trieb gegen den Rand und geriet in Gefahr, umzukippen und im Bassin zu versinken.
Der Energiestrom versiegte mit einem Schlag. Nizar sank kraftlos auf seinen Diwan zurück und starrte mich aus entsetzt geweiteten Augen an. Seine Überheblichkeit war im gleichen Moment erloschen wie seine magische Kraft.
»Gnade, Sidi!«, wimmerte er. »Töte mich nicht! Ich werde dir alle Schätze der Erde geben, wenn du mich am Leben lässt!«
»Glaube ihm … nicht«, keuchte Ali. Er war in die Knie gebrochen, am Ende seiner Kräfte. Doch irgendwoher nahm er noch die Energie, auf Händen und Knien zu Letitia hinüberzukriechen und sie in die Arme zu schließen. Sie schluchzte erleichtert auf und lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen den jungen Araber. Obwohl Ali Mühe hatte, nicht zu Boden zu gehen, lächelte er Letitia an und hauchte ihr eine Flut von Worten ins Ohr, die ich zwar nicht verstand, deren Bedeutung jedoch nicht schwer zu erraten war. Ich sah den beiden kopfschüttelnd zu und wandte mich wieder an Nizar.
»Töte ihn«, sagte Ali, ohne den Blick von Letitia zu nehmen.
»Nein!« Nizars Stimme war nur noch ein heiseres Kreischen. Und diesmal war die Angst darin echt.
»Ich sollte es wirklich tun«, sagte ich grimmig. »Wenn jemand den Tod verdient hat, dann wohl du.« Nizars Gesicht verschwand fast vollständig in den
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