Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
lief. Bei dem Versuch dieses Rätsel zu lösen, würde er möglicherweise einen entscheidenden Fehler begehen.
Die Idee war zumindest einen Versuch wert. Howard hatte die ganze Nacht durchgearbeitet und mittlerweile war es früher Vormittag. Es war ihm gelungen den Roboter äußerlich vollkommen zu restaurieren, was nicht allzu kompliziert gewesen war, da sich die künstliche Haut als überaus reaktionsfreudig erwiesen hatte, die narbenlos zusammenwuchs, sobald sich die einzelnen Hautlappen berührten.
Was Howard nicht gelang, war, die Mechanik wieder in Gang zu bringen und außerdem dafür zu sorgen, dass das künstliche Geschöpf ihm gehorchte.
»Es hat keinen Sinn«, sagte er resignierend und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Mechanisch griff er nach einer neuen Zigarre und zündete sie an. »Ich habe mich getäuscht. Es ist nicht allzu viel zerstört worden und ich habe das Konstruktionsschema durchschaut. Aber es liegt nicht nur an der Elektronik. Nur de Laurec mit seinen magischen Kräften kann diesem Ding Leben einhauchen.«
»Ich sach ja, wir sollt’n ihn aus’m Knast rausholen«, wiederholte Rowlf.
Howard lächelte gequält.
»Vergessen wir die Sache. War ohnehin nur eine Schnapsidee, aber ich wollte es wenigstens versuchen.«
Mit hängenden Schultern verließ er den Raum und schloss die Tür hinter sich wieder ab. Er sah nicht mehr, wie ein weiterer Funken zwischen den Drähten übersprang. Genauso wenig sah er, wie ein fast unmerkliches Zucken durch die Finger der Kreatur lief …
Einer der Polizisten rief irgendetwas, doch selbst wenn ich seine Worte verstanden hätte, wäre ich unfähig gewesen darauf zu reagieren. Ich war wie versteinert; unfähig auch nur einen Muskel zu bewegen. In meinem Inneren tobte ein gefühlsmäßiger Vulkan.
Ich spürte einen harten Stoß, der mich vorwärts taumeln ließ. Ich sah eine Hauswand auf mich zukommen und wollte instinktiv schützend die Hände vorstrecken. Erst jetzt wurde mir wieder bewusst, dass mir die Arme mit Handschellen auf den Rücken gefesselt waren. Im letzten Moment konnte ich den Aufprall notdürftig mit der Schulter abfangen. Haltlos rutschte ich an der Wand zu Boden.
»Aufstehen!«, befahl der jüngere Polizist und unterstrich seinen Befehl durch einen Wink mit der Pistole. Ich fühlte mich immer noch wie betäubt, quälte mich aber mühsam wieder auf die Beine.
»Los jetzt; und keine Mätzchen mehr, sonst lege ich dich um, das schwöre ich!«
Ein Blick in sein Gesicht zeigte mir, wie ernst es ihm mit dieser Drohung war. Mit steifen Schritten setzte ich mich in Bewegung.
Lärm klang hinter uns auf. Automatisch wandte ich den Kopf. Ein Betrunkener in Seemannskleidung kam hinter uns hergetorkelt und beschwerte sich grölend, dass es in diesem Saukaff nirgendwo mehr was zu trinken gäbe. Als er die Polizisten entdeckte, stutzte er einen Moment, bevor er weitertorkelte. Sein Blick war glasig.
»Hau ab!«, befahl einer der Beamten und wedelte mit der Hand, als wolle er ein lästiges Insekt verscheuchen. Er war sekundenlang abgelenkt und ich schätzte meine Chancen ab, ohne ein paar Gramm Blei im Körper die nächste Querstraße zu erreichen, wo ich vielleicht im Gewirr der Gassen untertauchen konnte.
Sie waren miserabel.
»Warum, hubsch, scho unfreundlisch?«, lallte der Betrunkene und kam unbeirrt näher.
»Verschwinde endlich, du versoffenes Stück!«, brüllte der Polizist noch einmal. Er wich einen Schritt zurück. Sein Blick irrte unsicher zwischen mir und dem Unbekannten hin und her. Einige Yards von ihm entfernt blieb der Betrunkene stehen, wohl um die Lage erst einmal in Ruhe zu überdenken. Mit einer Hand kratzte er sich am Kopf, während er sich mit der anderen an der Hauswand abstützte. Er rülpste äußerst geräuschvoll.
Dann ging alles so schnell, dass ich seine Bewegungen kaum mit dem Auge verfolgen konnte. Wie ein blitzschnell huschender Schatten sprang er vor. Mit ausgebreiteten Armen prallte er gegen die beiden Polizisten, bevor diese auch nur Zeit fanden auf den Angriff zu reagieren. Gemeinsam stürzten sie zu Boden.
Der Lockenkopf kam als Erster wieder hoch. Noch in der Bewegung richtete er erneut die Pistole auf mich.
Ich trat ihm die Waffe aus der Hand. Ein Schuss löste sich. Wirkungslos klatschte die Kugel gegen die Hauswand und jaulte als Querschläger davon.
Sofort sprang der Polizist hinter der Pistole her. Mit dem Mut der Verzweiflung warf ich mich auf ihn. Mit den gefesselten Händen konnte ich den
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