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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wollte ich endlich auch einige Antworten bekommen.
    »Ein Freund«, antwortete er ausweichend. »Nenn mich Bill.«
    Ich musterte ihn genauer. Etwas an ihm kam mir sonderbar vertraut vor, ohne dass ich zu sagen vermochte, was diesen Eindruck hervorrief. Ich war mir sicher, ihn noch nie gesehen zu haben, und auch der Name sagte mir nichts. Männer wie ihn traf man zuhauf in jeder Hafenspelunke, sein Aussehen war mir völlig unbekannt. Kurzes, dunkles Haar umrahmte sein grobschlächtiges Gesicht. Er mochte um die vierzig Jahre alt sein, obwohl er älter aussah. Seewind und Salzwasser hatten seine Haut gegerbt, dass sie fast wie Leder aussah.
    Etwas an ihm irritierte mich, kam mir sonderbar falsch vor und es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff, was es war. Seine Bewegungen waren überaus geschmeidig, gleitend; sie schienen nicht recht zu seiner muskulösen, plump anmutenden Gestalt zu passen.
    »Ich wüsste nicht, dass wir uns schon einmal begegnet wären«, sagte ich und überlegte fieberhaft, an wen er mich erinnerte. Das Gefühl der Vertrautheit war so stark, dass es sich nicht um Einbildung handeln konnte. Es lag weniger an Bills Aussehen, als viel mehr an seiner Art sich zu bewegen, an seiner Mimik und dem Blick seiner grauen Augen.
    Er lächelte amüsiert.
    »Das spielt jetzt keine Rolle«, antwortete er. »Wichtig ist nur, dass du frei bist, was du wohl ausschließlich mir zu verdanken hast. Dafür kann ich wohl ein wenig Vertrauen von dir erwarten.«
    Er blickte mir fest in die Augen. Ich spürte eine unsichtbare Hand, die nach meinen Gedanken griff und stemmte mich gegen den fremden Einfluss. Es gelang mir relativ leicht ihn abzublocken. Die hypnotischen Kräfte des Mannes waren nicht allzu stark; sie hätten möglicherweise für einen normalen Menschen gereicht, aber meine eigenen Kräfte waren zu gut ausgeprägt, als dass ich auf einen so simplen Trick hereingefallen wäre.
    »Natürlich vertraue ich dir«, murmelte ich, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Ich bemühte mich, meine Gesichtsmuskeln erschlaffen zu lassen und den typischen leeren Blick eines Hypnotisierten zu kopieren. Gleichzeitig konzentrierte ich mich mit aller Macht auf das magische Erbe meines Vaters. Nur am Rande wunderte ich mich, dass ich plötzlich wieder in der Lage war, meine Hexerkraft einzusetzen, während es mir bei den Polizisten nicht gelungen war.
    Im gleichen Moment, in dem die Aufmerksamkeit meines Gegenübers nachließ, schlug ich zu. Mühelos drängte ich seine geistigen Fühler zurück. Ich drehte den Spieß um und griff nun meinerseits nach seinem Bewusstsein. Ein lautloser Aufschrei gellte durch meinen Geist, als ich den Widerstand endgültig zerbrach. Ich spürte, wie der Mann versuchte in aller Hast eine neue Barriere um seine Gedanken zu errichten, aber es war zu spät. Vorsichtig tastete ich mich weiter vor und dann …
    Es war, als ob flüssiges Feuer durch meinen Geist rinnen würde. Eine Sonne schien in meinem Kopf zu explodieren und überflutete mein Denken mit greller Helligkeit. Die Wirklichkeit verschwand hinter einem Vorhang aus wabernder Glut. Meine Gedanken zerfaserten; mein Bewusstsein wurde hineingerissen in die sengende Flammenhölle.
    Ich schrie auf und presste die Hände an die Schläfen, ohne den entsetzlichen Schmerz dadurch lindern zu können. Blindlings taumelte ich in der Halle umher, bis ich über irgendetwas stolperte und zu Boden stürzte. Verzweifelt versuchte ich meine geistigen Fühler aus Bills Geist zurückzuziehen.
    Es gelang mir nicht.
    Visionen stürmten in wilder Flut auf mich ein; Bilder von Grauen und Tod, mehr als ein Mensch zu ertragen imstande war.
    Ich sah …
    Necron, den wahnsinnigen Hexenmeister der Drachenburg, der sich mit widerwärtigem Grinsen über mich beugte. Etwas Metallisches funkelte in seinen Händen. Ich schrie und bäumte mich auf, aber eiserne Ketten hielten meine Handgelenke.
    Ich sah ein Paar riesiger, strahlend weißer Flügel, bevor sie sich rot von Blut färbten und der entsetzliche Schmerz endgültig die Grenzen des Erträglichen überstieg.
    Ich nahm an meinem eigenen Tod teil, spürte, wie ich vom Leben in eine andere Existenz glitt, die so nichtmenschlich war, dass mein Verstand sich weigerte, etwas davon wahrzunehmen.
    Dem Wahnsinn nahe krümmte ich mich auf dem Boden, als es mir schließlich gelang mein Gehirn gegen die grauenhaften Visionen abzukapseln. Als ich endlich das Bewusstsein verlor, war es wie eine Erlösung.
    Aber noch bis in die Ohnmacht

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