Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod
woher ich die Kraft zum Durchhalten geschöpft hatte. Ich hatte aufgehört zu denken, sondern hob immer nur wieder den Arm und ließ die Klinge herabsausen; nichts anderes als die Pflanzenarme und der Degen existierten noch für mich.
Irgendwann war es vorbei; Priscylla konnte sich wieder frei bewegen. Ich riss sie mit mir auf die Tür zu. Mit dem Knauf des Stockdegens zerschmetterte ich die Scheibe. Ohne auf den Schmerz zu achten, als einige Scherben in meine Haut schnitten, zog ich den Riegel auf der Innenseite zurück und warf mich gegen die Tür. Wir taumelten ins Innere des Hauses. Noch während ich zu Boden sank, trat ich nach der Tür, sodass sie krachend zuschlug. Das Kreischen und Toben der Büsche brach ab. Eine beinahe unheimliche Stille breitete sich aus.
Zitternd blieb ich mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Boden liegen. Alles drehte sich vor meinen Augen. Mein Herz raste, jeder Atemzug brachte meine Lunge zum Brennen. Im Rhythmus meines Herzschlages pulsierte rasender Schmerz durch meinen Körper. Glühende Nadeln schienen meine Armmuskeln zu durchbohren.
Ich schloss die Augen und versuchte etwas Ruhe in meine wild durcheinander wirbelnden Gedanken zu bringen und meine Muskeln zu entspannen. Einige Herzschläge lang gab ich mich der Illusion hin gerettet zu sein. Dann vernahm ich ein hartes Kratzen von der Tür her, wie das Schaben unzähliger winziger Krallen und Hornfüße. Etwas berührte mich an der Schulter.
Mit einem Schrei fuhr ich hoch, doch es war nur Pri, die ihre Hand auf meine Hand gelegt hatte. Ihr von fassungslosem Schrecken gezeichnetes Gesicht befand sich dicht vor mir. Ihre Haare waren zerzaust, das Gesicht schmutzig und mit zahlreichen blutigen Kratzern übersät. Sie hatte die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen und für einen Sekundenbruchteil glaubte ich neuerlichen Wahnsinn in ihrem Blick flackern zu sehen.
»Robert!«, hauchte sie und klammerte sich so fest an mich, dass sich ihre Fingernägel in meine Haut bohrten. Ihre Stimme klang so leise, dass sie nicht zu hören gewesen wäre, wäre es bis auf das leise Scharren an der Tür nicht so unnatürlich still gewesen. Tränen rannen über ihr Gesicht. Sie barg ihr Gesicht an meinem Arm, schluchzte und stammelte sinnlose Worte.
Wie eine entsetzlich entstellte Klauenhand erschien ein Astende am Fenster, verharrte einen Augenblick, als müsse es sich erst orientieren, glitt dann schlangengleich an der Innenseite der Tür herab und wand sich auf uns zu. Weitere Äste und Zweige folgten ihm.
Ich sprang auf und zog auch Priscylla auf die Beine.
»Wir müssen weiter ins Haus hinein!«, schrie ich. Sie nickte stumm und verstört.
Wir hasteten auf die gegenüberliegende Tür zu und erreichten den Korridor. Die Tür bestand aus massivem Eichenholz und würde auch die dämonischen Äste aufhalten. Zumindest hoffte ich es. Schwer atmend lehnte ich mich gegen eine Wand.
»Bist du … in Ordnung?«, wandte ich mich an Pri.
»Was … was ist das?«, stammelte sie anstelle einer Antwort. »Robert … mein Gott, was hat das zu bedeuten? Was ist mit den Bäumen …« Ihre Stimme versagte und wieder schossen ihr Tränen in die Augen. »Halt mich fest«, schluchzte sie. »Halt mich ganz fest.«
»Ich weiß nicht, was mit den Bäumen ist«, log ich und strich ihr übers Haar. Auch jetzt musste ich mich mühsam zur Ruhe zwingen. Der Angriff des Pflanzenmonsters hätte ausgereicht, viele geistig völlig gesunde Menschen in den Wahnsinn zu treiben. Ich wusste nicht, wie stabil Priscyllas Persönlichkeit wirklich war, aber dafür wusste ich umso besser, dass ich es nicht ertragen würde, wenn sie erneut den Verstand verlieren sollte. Keine noch so tröstenden Worte konnten ihr den Schrecken nehmen, aber es gab etwas anderes, was ich tun konnte. Es widerstrebte mir ihr den freien Willen zu nehmen, doch die Gefahr war zu groß und alles geschah nur zu ihrem Besten, sodass ich meine Skrupel rasch überwand.
Ich starrte ihr in die Augen und konzentrierte mich so gut, wie es mir unter den gegebenen Umständen möglich war. Behutsam griff ich mit magischer Kraft nach Pris Gehirn, drang in ihr Bewusstsein und sandte dabei beruhigende Impulse aus. Ihr Gesicht entspannte sich. Sie hob den Kopf, wischte sich die Tränen mit dem Handrücken ab und brachte sogar ein schwaches Lächeln zustande.
Erleichtert zog ich mich aus ihrem Geist zurück. Einen Herzschlag lang schaute ich sie prüfend an, dann drehte ich mich halb um und blickte aus
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