Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod
der Ecke des Raumes. Es war bereits nach Mitternacht.
»Warum gehen nicht wenigstens Sie schlafen, Mary?«
Ihre Augen funkelten amüsiert. Sie versuchte zu lächeln, doch die Erschöpfung machte eher eine Grimasse daraus. Sofort wurde sie wieder ernst.
»Das Gleiche wollte ich Ihnen gerade vorschlagen«, sagte sie. »Aber wahrscheinlich mit größerem Recht. Sie haben schon in der vergangenen Nacht kein Auge zugemacht. Ich habe gehört, wie Sie ununterbrochen hin und her gelaufen sind. Und die Stunden, die Sie in den Nächten zuvor geschlafen haben, kann man wahrscheinlich auch an zwei Händen abzählen. Sie sahen schon wie ein zum Leben erweckter Leichnam aus, als sie zurückkehrten.«
Ich schwieg, was sie als Zustimmung aufzufassen schien.
»Sie richten sich zugrunde, Robert«, fügte sie in vorwurfsvollen Ton hinzu. »Hören Sie auf meinen Rat: Legen Sie sich für ein paar Stunden ins Bett. Sie können im Augenblick ohnehin nichts für Priscylla tun. Und wenn sich irgendetwas ergibt, wecke ich Sie. Mein Ehrenwort!«
Ihr Blick wurde fordernd. Ich versuchte einige Sekunden lang ihm standzuhalten, dann musste ich den Kopf abwenden.
Die Sorge in Marys Stimme war echt und zeigte mir wieder einmal deutlich, dass sie weit mehr als nur eine Angestellte für mich war. Schon eher ein Ersatz für meine Mutter, die ich niemals kennen gelernt hatte. Mit Ausnahme von Harvey, meinem reichlich senilen alten Butler, war sie der einzige Mensch, der es länger als ein paar Wochen in meinem Dienst ausgehalten hatte. Auf eine schwer zu beschreibende Art liebte ich sie; anders, als es bei Pri der Fall war, aber dennoch konnte man von Liebe sprechen.
Sie war einer der ganz wenigen Menschen, denen ich bedingungslos vertrauen konnte, neben Howard und Rowlf vielleicht sogar der Einzige; und sie hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie die gleiche Zuneigung auch für mich empfand.
»Würden Sie mir bitte noch einen Kaffee kochen?«, bat ich.
Miss Winden schüttelte entschieden den Kopf. »Das werde ich nicht tun«, sagte sie fest. »Ich habe nicht die Absicht, ihren ratenweisen Selbstmord auch noch zu unterstützen.«
»So schlecht ist ihr Kaffee auch wieder nicht«, sagte ich lächelnd, aber Mary schien im Moment nicht in der Stimmung auf den Scherz zu reagieren. Sie blickte mich nur böse an.
»Hören Sie mit dem Unsinn auf und gehen Sie ins Bett, mein Junge«, antwortete sie ärgerlich. Sie sagte noch mehr, aber ich verstand ihre Worte nicht mehr.
Es war wie ein Blitzschlag, der urplötzlich durch meinen Geist fuhr. Unerträgliche Hitze und Helligkeit schien mein Gehirn zu verbrennen. Die Finsternis selbst formte sich zu einem gigantischen Schatten, der mit gierigen Tentakelarmen durch meine Seele peitschte und sie mit Höllenglut erfüllte.
Zeit und Raum waren wie ein in sich gewundenes Band aus geflochtener Unendlichkeit, das Shadow umhüllte, aber längst nicht mehr so fest umschlang wie noch vor kurzer Zeit.
Ihre Gedanken vermochten die Kalte Wüste zu erforschen und zu durchdringen; es gelang ihr, die Grenzen Kadaths zu überwinden.
Robert Craven war ihrem Traumbild in dem schwarzen Onyxschloss begegnet und er hatte die Mauern ihres Kerkers aus Gestalt gewordener Ewigkeit eingerissen. Auch wenn er es nur unbewusst getan und nicht einmal gewusst hatte, dass sie hier war, als er die Wächterkreatur und die Inkarnation Nyarlathoteps vernichtete. Immer noch erinnerte er sich nicht an sie und war nicht von seinem verhängnisvollen Weg abgewichen.
Sie musste sich vollends befreien, aber dazu benötigte sie mehr Kraft, als ihr zur Verfügung stand. Und sie musste ihn warnen.
Immer noch spürte Shadow das unsichtbare Band, das es zwischen ihr und Craven gab. Und behutsam begann sie auf ihn einzuwirken, sandte ihre Träume aus, um ihm einen Hinweis zu geben.
Der Plan, den die GROSSEN ALTEN geschmiedet hatten, war wahrlich teuflisch und er würde die Welt ins Verderben stürzen.
Sie musste es mit allen Mitteln verhindern und hoffte inbrünstig, dass Robert Craven aufwachen und die Wahrheit erkennen würde, damit sie nicht zum Äußersten greifen musste.
Denn sie durfte nicht zusehen, wie das Verhängnis seinen Lauf nahm. Eher würde sie gezwungen sein, Robert Craven zu töten …
Ich schrie auf und presste gepeinigt die Hände gegen den Kopf, ohne den entsetzlichen Schmerz dadurch auch nur im Mindesten lindern zu können. Jeder Nerv meines Körpers schien in Flammen zu stehen. Die Welt um mich herum
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