Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I
herauszuschieben versuchte.
»Craven! Vorsicht!«
Ich reagierte ganz instinktiv auf die Stimme, duckte mich und machte gleichzeitig einen halben Schritt zur Seite; und nur einen Sekundenbruchteil später fuhr eine Fackel Funken sprühend durch die Luft, mit der jemand nach meinem Gesicht geschlagen hatte. Ich sah den Angreifer nur als Schatten, reagierte aber trotzdem ganz instinktiv, indem ich ihm einen Tritt vor das Knie versetzte. Der Mann – einer von Crowleys zerlumpten Begleitern – taumelte mit einem Schmerzensschrei zurück, geriet an den Rand des Wasserbeckens und kämpfte für eine Sekunde mit wild rudernden Armen um seine Balance. Ich half ihm den Kampf zu entscheiden, indem ich ihm einen zweiten Tritt vor das andere Bein versetzte. Er ließ seine Fackel fallen und kippte mit einem schrillen Schrei nach hinten – direkt in den Wald gierig peitschender Schlangenarme hinein. Sein Schreien wurde zu einem hysterischen Kreischen, das dann übergangslos und mit einer erschreckenden Endgültigkeit abbrach.
Aber die Gefahr war keineswegs vorüber; im Gegenteil. Zwei oder drei Tentakel hatten den Unglücklichen umschlungen und in die Tiefe hinabgezerrt, aber das verbliebene gute Dutzend griff nun nach mir – und die Bewegungen der peitschenden Arme waren nicht halb so langsam, wie ihre enorme Größe sie aussehen ließ. Ich duckte mich unter einem schlängelnden Arm hinweg, wich auch noch einem zweiten aus, der sich um meine Füße zu ringeln versuchte, um mich von selbigen zu reißen, dann berührte etwas meinen linken Arm und umschloss ihn mit der Kraft eines Schraubstockes. Ich schrie vor Schmerz und Entsetzen auf, versuchte mich loszureißen, wurde aber im Gegenteil unbarmherzig auf den Rand des Schlundes zu gezerrt. Ein zweiter Arm umgriff meine andere Hand und vier oder fünf weitere machten sich daran, meinen Körper einzuhüllen.
Mit furchtbarer Gewalt wurde ich auf den Schlund zugerissen. Die Arme rissen mich in die Höhe, zerrten mich weiter auf den Abgrund voller schwarzem Wasser und brodelnder, schwarzer Bewegung zu und für einen Moment, einen grässlichen, zeitlosen Augenblick starrte ich direkt in das weit aufgerissene, zahnbewehrte Maul der Bestie, einen grundlosen Rachen, aus dem mir der Atem der Hölle entgegenschlug und der in einem pulsierenden Balg ohne Gesicht oder irgendwelche andere Sinnesorgane gähnte. Ich konnte nicht einmal mehr schreien, denn der Würgegriff der Tentakel schnürte mir den Atem ab – und war plötzlich fort.
Ich stürzte so hart zu Boden, dass ich abermals sekundenlang gegen eine Bewusstlosigkeit ankämpfen musste, war aber trotzdem noch geistesgegenwärtig genug, mich zur Seite und von dem brodelnden Höllenpfuhl wegzuwälzen. Die schwarzen Tentakel peitschen über mir durch die Luft, gierig nach dem Opfer suchend, das ihnen im letzten Augenblick entschlüpft war; durch einen glücklichen Zufall, den ich beinahe selbst nicht zu glauben vermochte. Halb von Sinnen vor Furcht und Benommenheit stemmte ich mich auf Hände und Knie hoch, sah eine Gestalt in roter Seite auf mich zuspringen und riss instinktiv die Arme in die Höhe.
Es war pures Glück. Eine jener Eins-zu-hunderttausend-Chancen, die man vielleicht nur einmal im Leben bekommen, aber ich bekam sie und ich packte mit aller Kraft zu und ergriff den Widderstab, mit dem Crowley meinem Gesicht eine kleine Schönheitsoperation in Richtung Quasimodo hatte verpassen wollen. Der Ruck riss mich nach hinten und ließ mich schon wieder ein Stück auf das Wasserbecken zuschlittern, in dem der gigantische Shoggote noch immer wie von Sinnen tobte, aber ich hielt den Stab mit der Kraft der puren Todesangst fest, zerrte im Gegenteil noch ein bisschen stärker daran – und riss ihn Crowley aus den Händen.
Meine Bewegung musste wohl ein wenig heftiger ausgefallen sein, als ich selbst gemerkt hatte, denn ich hatte nicht mehr genug Gewalt in den Händen, den Stab zu halten. Er entglitt mir, flog in hohem Bogen über mich hinweg, drehte sich dabei in der Luft – und bohrte sich wie ein Speer in den aufgedunsenen Leib des Shoggoten, der in genau diesem Augenblick versuchte, sich schwerfällig über den Rand des Wasserbeckens zu schieben.
Das Ergebnis übertraf meine kühnsten Erwartungen. Der Stab bohrte sich tief in das unheilige Fleisch der Bestie und im gleichen Moment, in dem sein Ende in den Körper des Shoggoten eintauchte, begann der goldene Widderkopf auf seiner Spitze in einem unheimlichen, giftig grünen Licht
Weitere Kostenlose Bücher