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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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alle starrten mich an, nicht uns, nicht Alyssa und Cohen und mich, sondern nur mich. Und zumindest eines der Gesichter kannte ich nur zu gut. Ich hatte es schon zwei Mal gesehen: gestern Nachmittag in Cordwailers Laden und noch einmal spät in der Nacht, auf dem unheimlichen Platz zwischen den Felsen.
    Es war Pasons, der mit unbewegtem Gesicht, aber einem höhnischen Glitzern in den Augen, zu mir herübersah.
     
    »Sie sind alle ertrunken, Cohen!«, sagte ich; zum vielleicht hundertsten Mal in der letzten Stunde. »Vor meinen Augen. Ich habe gesehen, wie die Flut sie verschlungen hat.«
    Cohen maß mich mit einem Blick, den ich nicht zu deuten vermochte. Es war irgendwann am frühen Nachmittag. Trotz allem hatte mein Körper am Ende natürlich sein Recht gefordert und ich hatte einige Stunden geschlafen, bis Cohen mich wieder weckte. Ich fühlte mich kein bisschen ausgeruht oder gar frisch, aber Cohen hatte behauptet, ich hätte im Schlaf geschrien und um mich geschlagen, sodass er es vorgezogen hatte, mich zu wecken, ehe ich die ganze Stadt zusammenbrüllte. Danach hatte uns Cordwailer ein einfaches, aber erstaunlich wohlschmeckendes Mahl (allerdings zu einem Wucherpreis) kredenzt. Seither hatte ich meine Geschichte mindestens ein Dutzend Mal erzählt, aber ich vermochte noch immer nicht zu sagen, ob Cohen mir glaubte oder nicht. Allerdings vermutete ich eher nicht. Schließlich liefen all die Kinder, die angeblich vor meinen Augen im Wasser versunken waren, quicklebendig in der Stadt herum. Selbst ihre Anzahl stimmte – Joshua mitgerechnet, zählte ich neunzehn kleine Gestalten, die sich am anderen Ende der einzigen Straße von Brandersgate zusammengefunden hatten.
    Schon der bloße Anblick ließ mich wieder schaudern. Es war nicht nur die Erinnerung an die schrecklichen Szenen der vergangenen Nacht. Die knapp zwei Dutzend Kinder benahmen sich nicht, wie sich Kinder ihres Alters benehmen sollten. Sie liefen nicht durcheinander, zappelten herum, spielten, unterhielten sich, lachten oder stritten, sondern standen völlig ruhig da, zwar in keiner bestimmbaren Formation, trotzdem aber sehr diszipliniert aufgestellt. Sie schienen auf irgendetwas zu warten.
    »Warum gehen sie nicht los?«, wunderte sich Cohen. Wir hatten beschlossen, uns den geheimnisvollen Leuchtturm samt seines noch geheimnisvolleren Besitzers aus der Nähe anzusehen, und es war mir nicht möglich gewesen, Cohen davon abzubringen, dies ganz offen zu tun. Cohens Vertrauen in die Autorität seines Scotland-Yard-Dienstausweises schien unerschütterlich. Er hatte meinen Vorschlag, uns nach Einbruch der Dunkelheit irgendwo ein Boot zu besorgen und zum Turm hinüber zu rudern, rundheraus abgelehnt und nur gemeint, dass ich es schließlich auf meine Weise versucht hätte; mit dem bekannten Ergebnis. Und nach der zugegeben haarsträubenden Geschichte, mit der ich am frühen Morgen vom Strand zurückgekehrt war, konnte ich ihm diese Ablehnung nicht einmal übel nehmen. Ich hatte es im Laufe des Tages schon hundert Mal bedauert, ihm nicht gleich im ersten Moment die Wahrheit gesagt zu haben. Hätte er gewusst, mit welchen Geschöpfen wir es zu tun hatten, hätte er mir vielleicht mehr Glauben geschenkt. Aber jetzt war es zu spät. Auch wenn Cohen ahnen mochte, dass meine Geschichte von dem angeblichen Zwillingsbruder aus Amerika nicht den Atem wert war, den ich gebraucht hatte um sie zu erzählen, hätte ein plötzliches Geständnis sein Misstrauen nur noch mehr geschürt. Und auf eine Weise war ich sogar froh, am hellen Tag und in Cohens Begleitung zu diesem Turm zu gehen. Schon der Gedanke, noch einmal jenem unheimlichen Geschöpf zu begegnen, das in der Flut lebte, ließ etwas in mir erschauern. So waren wir übereingekommen abzuwarten, bis Alyssas Sohn und die anderen sich zu ihrem täglichen Besuch im Leuchtturm zusammenfanden und uns ihnen einfach anzuschließen.
    Zusammengefunden hatten sie sich. Aber sie machten keine Anstalten, Brandersgate zu verlassen.
    »Ich verstehe das nicht«, murmelte ich. »Ich habe es gesehen, Cohen.«
    Cohen warf mir einen Blick zu, in dem sich Spott und allmählich aufkommender Ärger mischten. Aber seine Stimme war erstaunlich ruhig, als er antwortete. »Ich glaube Ihnen, dass Sie irgendetwas gesehen haben, Craven«, sagte er. »Wissen Sie, ich glaube auch, dass mit diesem Ort und seinen Bewohnern irgendetwas nicht ganz koscher ist.«
    »Warum –«, begann ich, wurde aber sofort wieder von ihm unterbrochen.
    »Trotzdem

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