Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
ihr Kleid und ihr Haar Feuer. Das Wimmern des Kindes steigerte sich zu einem schrillen Kreischen, während die Flammen die Frau und das Baby einhüllten wie ein weiß lodernder Mantel aus Hitze und waberndem Licht.
    Howard schrie wie in Todesangst auf und versuchte noch einmal, nach dem Säugling zu greifen. Die Hitze trieb ihn zurück. Aus Priscyllas Schreien wurde ein ungeheuerliches, vibrierendes Brüllen und Toben, die Todesschreie eines Dämons, nicht mehr eines Menschen, und zugleich begann sich ihr Umriss hinter den Flammen zu verändern, andere, unmenschliche, unbeschreibliche Formen anzunehmen. Und woraus immer dieser Körper bestand – es war kein Fleisch, sondern etwas anderes, etwas, in dem die Flammen so reichliche Nahrung fanden wie in petroleumgetränktem Stroh. Aus dem Feuer, das Priscyllas Kleider und Haare ergriffen hatte, wurde eine grell lodernde, brüllenden Glutsäule, die sich zehn, zwölf Fuß weit über die Straße emporwälzte, ehe sie auseinander brach und für einen winzigen Moment die Form eines aus Flammen gebildeten Pilzes hatte. Sie starb. Diesmal endgültig.
    Und mit ihr starb Robert Cravens Sohn.
    Howard sank auf die Knie. Das Letzte, was er wahrnahm, bevor eine Ohnmacht seinen Geist mit Schwärze erfüllte, waren sich nähernde Schritte und die aufgeregten Stimmen anderer Menschen. Eine Hand, die ihn hart packte. Und die Stimme einer Frau, die laut und immer wieder und wieder und wieder »Mörder!«, schrie.
    Dann wurde es dunkel um ihn, für lange, sehr lange Zeit.

 
2. September 1892
     
    Dem ersten Erwachen folgte ein zweites. Aber es war nur kurz, kaum ein Heben der Lider, das ausreichte, Licht in das dunkle Universum zu bringen, in das ich gestürzt war; nicht mehr als ein Traum in einem Traum. Ein Gesicht erschien über mir und verschwamm wieder und etwas Warmes, Sanftes umschloss mich. Aber ich begann, auf einer tiefen, dem bewussten Zugriff weit entzogenen Ebene meines Denkens, wieder Hoffnung zu schöpfen. Plötzlich wusste ich, dass ich es schaffen konnte.
    Es würde nicht leicht sein. Ganz und gar nicht.
    Aber ich konnte es schaffen.
    Ich musste kämpfen.
    Und ich würde es.

 
20. Februar 1887
     
    Schmerz pochte in seinem Kopf, als er erwachte; ein greller, pulsierender Schmerz, als hätte jemand seinen Schädel in einen Schraubstock gespannt und drehe diesen Schraubstock nun genüsslich zu. Aber nicht nur sein Kopf tat weh, jeder Nerv seines Körpers schien in Flammen zu stehen. Seine Glieder zuckten unkontrolliert. Er vermochte nicht einmal zu schreien, so groß war die Qual. Was hatte er erwartet? Eigentlich war es schon ein Wunder, dass er überhaupt noch in der Lage war Schmerzen zu empfinden. Immerhin bewies das, dass er noch am Leben war.
    Nicht, dass es ihm etwas bedeutete.
    Er hatte endgültig versagt und wenn sein Leben überhaupt so etwas wie einen Sinn gehabt hatte, so war dieser Sinn zusammen mit dem Kind in Priscyllas Armen in den Flammen der Kutsche zu Asche verbrannt. Es war gleich, ob er tot war oder lebte.
    Trotz allem spürte er den leichten Einstich in seinem Arm und kurz darauf begann der Schmerz allmählich zu erlöschen. Howard begrüßte es nicht. Beinahe im Gegenteil: Jetzt, als sie nicht mehr da war, spürte er erst, wie heftig die Pein wirklich gewesen war. Aber sie hatte ihm nicht nur Qual bereitet, sie hatte auch die Erinnerungen betäubt und einen barmherzigen Schleier über die schrecklichen Bilder in seinem Kopf geworfen. Jetzt wurde dieser Schleier ganz allmählich zurückgezogen. Das Medikament, das man ihm gespritzt hatte, entfaltete seine Wirkung. Er wollte das nicht. Er wollte sich nicht erinnern. Er wollte nicht wissen, was passiert war. Nicht mehr. Nie mehr.
    »Wachen Sie auf!«, drang eine Stimme an sein Ohr. »Sie müssen aufwachen, hören Sie?«
    Er verstand die Worte deutlich, was aber noch lange nicht bedeutete, dass sie ihm gefielen. Er wollte nicht aufwachen, sondern in die Vergessen bereitende Dunkelheit zurücksinken, in der es keine Schmerzen und kein Leid gab. Er wollte tot sein, warum begriffen sie das eigentlich nicht?
    Das Atmen fiel ihm schwer. Eines der Schmerzzentren schien seine Brust zu sein. Es war, als würde ein Tonnengewicht auf seine Rippen niederdrücken und das Luftholen fast unmöglich machen. Wenn er atmete, dann war es jedes Mal, als bohre sich ein Dutzend winziger Dolche in seine Lungen.
    »Mister Lovecraft, wachen Sie endlich auf!«, verlangte die Stimme noch einmal. Etwas war darin, was keinen

Weitere Kostenlose Bücher