Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I
Doktor.«
Der Arzt zögerte. »Meinetwegen. Aber nicht mehr als ein paar Minuten«, erklärte er. »Der Patient braucht noch viel Ruhe.« Er stand auf und schenkte Howard ein Lächeln, das diesen schaudern ließ. »Wenn es Ihnen zu viel wird, rufen Sie mich einfach und ich werfe ihn raus.«
»Es wird nicht lange dauern«, sagte Cohen kühl.
Lecter sah ihn zweifelnd an, aber dann zuckte er nur mit den Schultern und gab seiner Begleiterin einen Wink. Der Arzt und die Krankenschwester verließen das Zimmer.
Cohen wandte sich an den uniformierten Polizisten. »Ich sagte, allein. Das gilt auch für Sie, Prescott.«
»Aber –«
»Kein Aber. Bleiben Sie so lange auf dem Gang.«
»Zu Befehl – Sir.« Die Stimme des Polizisten war eisig.
Cohen wartete, bis der Polizist sich widerstrebend der Anordnung gefügt hatte, dann drehte er sich zu Howard um, trat dichter an das Bett heran und sah fast eine halbe Minute lang wortlos auf ihn herab. Cohen war ein breitschultriger Hüne, dessen aufgedunsenes Gesicht auf den ersten Blick nicht verriet, welche Intelligenz und kriminalistischer Spürsinn in ihm steckten. Howard hatte schon mehr als einmal mit ihm zu tun gehabt. Während der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft hatte sich Cohen alle Mühe gegeben ihm und Robert das Leben zur Hölle zu machen. Später war er selbst durch die Intrigen des abtrünnigen Tempelritters Sarim de Laurec in Lebensgefahr geraten und stand ihnen seither wesentlich weniger voreingenommen gegenüber. Es wäre übertrieben gewesen zu behaupten, dass Howard und er Freunde geworden wären – im Gegenteil. Howard empfand für den Scotland-Yard-Beamten ungefähr so viel Sympathie wie für Necron; und bei der Frage, wer von beiden ihm im Laufe seines Lebens schon mehr Schwierigkeiten bereitet hatte, hatte Cohen gegenüber dem mittlerweile toten Herrn der Drachenburg sogar leichte Punktvorteile zu verzeichnen.
Aber Cohen war ein einflussreicher Mann und wusste von der Existenz des Übernatürlichen und – was beinahe noch wichtiger war – er hielt Howard für unschuldig, wie er mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht hatte. Zu deutlich sogar, für den Geschmack seiner Vorgesetzten. Anfänglich hatte er die Ermittlungen geleitet, bis man ihm den Fall schließlich wegen Befangenheit abnahm. Dass er auch anschließend seine Finger nicht davon gelassen hatte, hatte ihm einige wenig schmeichelhafte Einträge in seine Personalakte eingehandelt – und die Tatsache, dass er trotz einer längst überfälligen Beförderung immer noch nur ein einfacher Inspektor war.
»Wie Sie sich wohl denken können, Mister Lovecraft, bin ich leider nicht nur zu einem Höflichkeitsbesuch hier«, begann er schließlich. »Die Angelegenheit ist sogar ziemlich ernst.«
»Ich weiß«, sagte Howard. Ohne große Hoffnung und etwas leiser fügte er hinzu: »Sie hätten nicht zufällig eine Zigarre für mich?«
»Es hat Tote gegeben«, fuhr Cohen völlig unbeeindruckt fort. »Fünf Tote, um genau zu sein, und ein Haus ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Und Sie haben etwas damit zu tun, fürchte ich.«
»Fünf Tote?«, hakte Howard verwirrt nach. Fünf Tote? Wieso fünf? Wovon um alles in der Welt sprach Cohen überhaupt?
»Zunächst einmal Robert Craven und seine frisch vermählte Frau«, zählte Cohen auf. Dabei fühlte sich Howard von ihm auf eine sonderbar unangenehme, lauernde Art beobachtet, die ihm gar nicht gefiel. Cohens Mine war wie Stein, aber in seinen Augen war ein ganz bestimmtes Glitzern, das Howard schon ein paar Mal zu oft gesehen hatte, um nicht zu wissen, was es bedeutete. »Jedenfalls vermuten wir, dass Priscylla Craven in dem Feuer umgekommen ist, da sie sich aufgrund der Aussage Ihres Dieners Rowlf zu dem fraglichen Zeitpunkt im Haus befand.«
»Das ist richtig«, bestätigte Howard, doch sein Unbehagen wuchs noch. »Ich habe sie selbst sterben gesehen. Sie war es, die … das Feuer gelegt hat.«
»Außerdem wäre da noch ein Kutscher, der sie zum Ashton Place gefahren hat. Sein Leichnam lag wenige Schritte von dem Gefährt entfernt und in der ausgebrannten Kutsche fanden wir die verkohlten Überreste einer Frau und eines offenbar neugeborenen Kindes.«
Howard schloss die Augen.
Das Kind – Roberts Sohn. Shadow hatte ihm das Kind anvertraut, aber er hatte es nicht beschützen können. Schlimmer noch: Er hatte es im Stich gelassen, in dem vergeblichen Bemühen, das Rad der Zeit zurückzudrehen, Roberts Tod zu verhindern. So war es von Anfang an
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