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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die bloße körperliche Nähe des Geschöpfes bereitete mir unsägliche Pein.
    Und dann …
    Es war, als bräche in meinem Inneren etwas auf. Ein schwarzer Kokon, der unbemerkt in den Tiefen meiner Seele geschlummert hatte und etwas Finsteres, unvorstellbar Altes und unvorstellbar Mächtiges enthielt, ein körperloses Ding, auf seine Art ebenso schrecklich wie die Shoggoten, wenn nicht schlimmer, und hundert Mal machtvoller.
    Der Shoggote prallte zurück. Ein schriller, unmenschlicher Pfiff erscholl, ein Laut so voller Wut und Schmerz, dass ich ebenfalls aufschrie, die Hände vor die Ohren schlug und mich krümmte. Neben mir sank Viktor wimmernd in die Knie und ich sah aus den Augenwinkeln, dass auch der zweite Shoggote von seiner Beute abgelassen hatte und zurückgeprallt war, wie von einer unsichtbaren Faust getroffen.
    Aber das gestaltlose Ding in meinem Inneren hörte nicht auf. Es war einmal entfesselt und es war wie ein Raubtier, das einmal Blut gerochen hatte und nicht eher ruhen würde, bis es bekam, was es wollte. Wieder torkelten die beiden Shoggoten zurück und diesmal konnte ich sehen, wie sich ihre fast formlosen Leiber unter den Schlägen unsichtbarer Fäuste krümmten, wie sie vor Schmerz zuckten und sich hin und her warfen, dem unsichtbaren Angreifer zu entfliehen versuchten und es nicht schafften.
    Sie starben wie das erste Ungeheuer, das hereingekommen war. Ihre Körper begannen zu zerfließen, wurden zu brodelnden schwarzen Pfützen und lösten sich schließlich ganz auf. Es dauerte nur Sekunden, dann war alles vorbei.
    Doch das stimmte nicht. Es war nicht vorbei. Was immer ich entfesselt hatte, mit meinem lautlosen Hilferuf, was immer da in mir gewartet hatte, es war frei und es wollte mehr, begann nach weiteren Opfern, nach mehr Blut und mehr Leben zu schreien, wie ein Wahnsinniger, den ein rasender Blutrausch überkommen hatte. Ich sah, wie Viktor sich krümmte und entsetzt die Arme über dem Kopf zusammenschlug, aber ich begriff im gleichen Moment auch, dass seine Furcht nun mir galt, denn auch er spürte die unsichtbaren Gewalten, die ich entfesselt hatte, das Rasen und Toben von Kräften, die nicht die meinen waren, sondern mich nur benutzt hatten. Die Luft im Raum knisterte wie unter unsichtbaren elektrischen Blitzen und eine spürbare Aura von destruktiver Macht und Gewalttätigkeit breitete sich zwischen uns aus.
    »Robert!«, wimmerte Viktor. »Hören Sie auf! Um Himmels Willen, hören Sie auf!«
    Aber ich konnte es nicht. Ich wollte es. Ich hätte in diesem Moment mein neu erworbenes Leben gegeben, die unsichtbare Bestie, die ich entfesselt hatte, wieder in ihren Kerker zurückzuschicken, aber meine Kräfte reichten nicht. Ich kam mir vor wie ein Kind, das im Spiel einen Stein aus einer Wand gekratzt und zu spät gemerkt hatte, dass es damit eine Staumauer zum Einbruch brachte, und nun versuchte, die Wassermassen mit bloßen Händen zurückzuhalten. Das Ding raste und tobte weiter und ich spürte, wie es immer wilder und wütender nach einem weiteren Opfer suchte – und fand.
    Viktors Augen quollen vor Entsetzen schier aus den Höhlen, als auch er spürte, wie sich die unsichtbaren Kräfte nun gegen ihn zu richten begannen. Noch einmal und mit verzweifelter Macht versuchte ich sie zurückzuhalten, aber das Ergebnis war dasselbe wie zuvor.
    Ich schrie gellend auf, fuhr herum und rannte auf die Tür zu, so schnell ich konnte. Hinter mir begann Viktor zu kreischen, nun nicht mehr vor Angst, sondern in einer Tonlage, die mir das Blut in den Adern gerinnen ließ. Zugleich hob unter meinen Füßen ein furchtbares Vibrieren und Krachen an, als tobten auch dort entfesselte Urgewalten, die ihren Zorn gegen die Erde selbst richteten.
    Irgendwie erreichte ich die Tür, warf mich hindurch und stolperte mehr, als ich ging, die gewendelte Treppe hinauf. Viktor schrie noch immer, was bedeutete, dass er zumindest noch am Leben war, aber ich wagte es nicht, auch nur einen Blick zu ihm zurück zu werfen, aus Angst, damit vielleicht genau jenen kostbaren Sekundenbruchteil zu verlieren, der über Viktors Tod oder Weiterleben entscheiden mochte. Blind vor Angst und Entsetzen stolperte ich weiter. Ich musste raus aus diesem Haus, das war das Einzige, woran ich denken konnte.
     
    Wie in jeder einzelnen Nacht während der letzten fünf Jahre und sechs Monate wachte Howard Phillips Lovecraft schweißgebadet aus der Umklammerung eines Albtraumes auf, von dem er nur zu gut wusste, dass er weit mehr als ein Traum

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