Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I
schaffen«, behauptete Rowlf. »Selbst wennern bisschen anders aussehen tut, isser anner weißn Strähne im Haar leicht zu erkennen.«
Fragend sah Howard ihn an. »Deine Leute?« Sie hatten praktisch ununterbrochen geredet, seit sie sich im Keller von Viktors Haus wiedergesehen hatten – aber irgendwie fiel ihm erst jetzt auf, dass Rowlf im Grunde nichts über sich erzählt hatte; oder das, was er in den letzten fünf Jahren so getrieben hatte. Zwar hatte ihm Gray bei seinen Besuchen im Gefängnis regelmäßig Bericht erstattet, aber Howard hatte immer mehr und mehr das Gefühl, dass er ihm nicht alles erzählt hatte.
»Ich konnte ihn leider nicht davon abhalten, in den letzten Jahren in der Londoner Unterwelt Karriere zu machen«, erklärte Gray säuerlich. »Ein paar Mal habe ich sogar nur mit knapper Not verhindern können, dass er dir im Gefängnis Gesellschaft leistet. Aber in diesem Fall könnte uns dieser Einfluss wirklich von Nutzen sein. Wahrscheinlich hält bereits jeder kleine Taschendieb in London Ausschau nach Robert.«
Rowlf nickte. »Und wer’s nich tut, dem hau ich so was aufs Auge, dassa in nächster Zeit nach gar nix mehr Ausschau halten kann«, verkündete er fröhlich und ignorierte Howards vorwurfsvollen Blick. »Wir finden den Kleenen, verlass dich drauf.«
»Fragt sich nur, was weiter passiert, wenn er gefunden ist«, sagte Gray besorgt. »Am besten wäre es, wenn ihr alle für eine Weile die Stadt verlassen würdet. Nach dir wird gesucht, Howard, und die Polizei wird nicht eher ruhen, bis sie dich gefunden hat. Du giltst als flüchtiger Schwerverbrecher. Bevor ich wegfuhr, bastelte Langston gerade an einer Erklärung für die Presse, dass du selbst hinter dem Angriff auf das Gefängnis gesteckt hast. Er stellt diese Kreatur als eine Art … Massensuggestion oder so etwas dar. Eine Menge Leute wissen, dass du dich mit Zauberkunststückchen und Gauklertricks beschäftigt hast.«
»Das war kein Gauklerstück«, sagte Howard niedergeschlagen.
Gray nickte. »Ich weiß das«, sagte er. »Und du weißt es. Aber Langston nicht. Und die anderen schon gar nicht.«
»Und wie will er die Toten erklären?«, fragte Howard scharf.
»Es ist Langstons Theorie, nicht meine«, sagte Gray. »Auf jeden Fall glaubt niemand, dass der Angriff in Wahrheit dir gegolten hat.«
»Ich kann es niemandem verdenken«, murmelte Howard. »Je mehr ich über alles nachdenke, desto weniger Sinn ergibt es, weißt du? Ich war bereit, zu sterben. Schließlich konnte ich nicht wissen, dass Robert bereits von allein aufgewacht ist.«
»Aber das konnte die GROSSEN ALTEN wiederum nicht ahnen, und …« Gray brach ab und zuckte merklich zusammen, als ihm plötzlich der verborgene Vorwurf in Howards Worten bewusst wurde. »Ich wusste selbst nichts von Roberts Erwachen«, verteidigte er sich. »Ich war ein paar Tage nicht in der Stadt und nach meiner Rückkehr hat niemand –«
»Schon gut«, fiel Howard ihm sanft ins Wort. »Darum geht es jetzt nicht. Ich begreife nur nicht, warum alles auf diese Art geschah. Mehr als fünf Jahre war ich jedem Angriff im Gefängnis hilflos ausgeliefert. Wenn man mich wirklich hätte töten wollen, hätte es Tausende von Gelegenheiten gegeben, das zu tun. Sicherer – und vor allem unauffälliger.«
Er beugte sich vor und trank einen Schluck des mittlerweile auf eine erträgliche Temperatur abgekühlten Kaffees, bevor er seine Zigarre ausdrückte. Grays Gesicht hellte sich auf – für genau die Sekunden, die Howard brauchte, um sich eine weitere Zigarre anzustecken. Grays Blick suchte die Kiste mit den teuren Brasil-Zigarren, die aufgeklappt auf dem kleinen Tischchen vor Howard stand. David hatte sie eigens für Howard geholt, aber wahrscheinlich bedauerte der Anwalt seine Freundlichkeit schon bitter. In der Kiste befanden sich noch mindestens dreißig Zigarren – und Howard schien entschlossen, sie in Rekordzeit zu leeren.
Er nahm einen tiefen, genießerischen Zug, ehe er fortfuhr: »Das gleiche gilt ebenso für Robert. Der Angriff von heute zeigt, dass die GROSSEN ALTEN wussten, wo er sich befand. Jahrelang wäre er ein leichtes Opfer gewesen.«
»Er war tot«, wandte Mary ein. Howard, Gray und auch Rowlf blickten sie verwirrt an und Mary machte ein fast schuldbewusstes Gesicht, fuhr aber trotzdem fort: »Nicht einfach nur schwer verletzt und bewusstlos, sondern tot. Dass er überhaupt noch lebt, haben sie wahrscheinlich erst bemerkt, als er … aufwachte. Jedenfalls könnte ich mir
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