Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I
mehr wert zu sein. Trotzdem sagte ich: »Jetzt wird mir einiges klar.«
»Sir?« Matt runzelte die Stirn.
»Oh, nichts.« Ich winkte ab. »Kennen Sie zwei Burschen namens Jack und Shorty?«
»Haben die beiden Sie so zugerichtet?«, fragte Matt, anstatt sofort zu antworten. »Wenn ja, möchte ich nicht in ihrer Haut stecken, wenn der Boss Sie sieht.«
»Ich fürchte, das tun die beiden sowieso schon nicht mehr«, murmelte ich.
»Wie?«, machte Matt.
»Nichts.« Ich winkte abermals ab. »Vergessen Sie es. Wer ist Ihr Boss und wieso hat er so ein Interesse an mir?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen, Sir«, antwortete Matt. »Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Wir passen auf, dass Ihnen nichts passiert.« Er grinste. »Schließlich sind Sie eine hübsche Stange Geld wert.«
Ich konnte mir nicht verkneifen, zu sagen: »Sie wären erstaunt, wenn Sie wüssten, wie viel, Matt. Ihr Boss ist ein Geizkragen.«
Matt sah mich eine Sekunde lang irritiert an, ehe er sich zu einem nicht besonders überzeugend wirkenden Grinsen durchrang. »Wir sollten hier verschwinden, Sir«, sagte er. »Die halbe Stadt sucht nach Ihnen.«
»Und Sie wollen Ihr Geld, ich weiß.« Ich wollte mich unverzüglich in Bewegung setzen, aber Matt hielt mich noch einmal zurück.
»Einen Moment noch, Sir. Als wir gekommen sind, hat sich ein Polizist hier herumgetrieben. Vielleicht ist es besser, wenn wir ihm nicht über den Weg laufen. Tom – sieh nach, ob die Luft rein ist.«
Der Bursche verschwand, um zu tun, was Matt verlangt hatte, und Matt selbst griff in die Tasche seiner abgewetzten Jacke und zog einen Tabaksbeutel hervor. »Ganz schöne Bruchbude«, sagte er, während er seinen Blick in die Runde schweifen ließ und sich dabei geschickt und nur mit einer Hand eine Zigarette zu drehen begann.
»Ich weiß«, antwortete ich. Nach einer Sekunde fügte ich hinzu: »Sie gehört mir.«
Matt fuhr sichtbar zusammen und rettete sich in ein verlegenes Lächeln. »Oh«, sagte er. »Das wusste ich nicht. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe –«
»Schon gut«, unterbrach ich ihn. »Es ist lange her. Aber woher wussten Sie, dass Sie mich hier treffen würden, wenn Ihnen dieser Umstand nicht bekannt war?«
Matts Gesichtsausdruck machte deutlich, dass er gewisse Schwierigkeiten hatte, diesen Satz zu begreifen. »Wusste ich nicht«, sagte er schließlich und ich fühlte, dass es die Wahrheit war. »Der Boss hat gemeint, dass wir Sie vielleicht irgendwo hier in der Gegend finden würden.« Er hatte seine Zigarette fertig gedreht, riss ein Streichholz an und blies eine übel riechende graue Wolke in meine Richtung. »Und so furchtbar viele Verstecke gibt’s in einer so piekfeinen Gegend wie dieser ja nicht.«
Er pustete mir eine weitere Qualmwolke ins Gesicht und sah sich abermals in der verwüsteten Bibliothek um. »Muss einmal ein schönes Haus gewesen sein«, sagte er. »Verdammt schade drum. Ich hoffe, bei dem Brand ist niemand zu Schaden gekommen.«
»Es gab zwei Tote«, sagte ich. Und einer davon war ich. Aber das sprach ich nicht laut aus.
»Jemand, den Sie kannten?«
»Es ist lange her«, antwortete ich knapp. »Wo bleibt Ihr Freund?«
Matt sah erst mich, dann die halb heruntergebrannte Zigarette in seiner Hand an und ich begriff, dass er sie tatsächlich als eine Art Zeitmesser betrachtete. Eine halbe Zigarettenlänge schien ihm noch nicht lange genug, um sich Sorgen zu machen.
»Vielleicht schleicht der Polyp noch draußen rum«, sagte er. »Kommen Sie, wir sehen nach. Aber vorsichtig.«
Wir verließen hintereinander die Bibliothek. Obwohl der Raum wie die meisten Zimmer in dem verkohlten Skelett, das einmal ein Haus gewesen war, keine Decke mehr besaß, hatten uns die Wände trotzdem vor dem Regen geschützt. Als wir wieder in die Halle hinunterkletterten, schlug er uns dafür umso intensiver in die Gesichter. Matt fluchte und warf seine Zigarette davon, die schon nach wenigen Augenblicken durchnässt war, und auch ich drehte das Gesicht aus dem Wind. Trotzdem bemerkte ich, dass Tom in der ehemaligen Haustür stehen geblieben war und reglos hinausstarrte. Seine ganze Haltung verriet gespannte Aufmerksamkeit.
Matt bedeutete mir mit einer Geste (die ich ignorierte) zurückzubleiben und trat neben seinen Freund, wobei er einen Umweg in Kauf nahm, um von der Straße aus nicht gesehen zu werden. Ich folgte ihm auf die gleiche Weise.
»Was ist los?«, fragte Matt. »Schleicht der Polyp noch hier rum?«
Tom schüttelte den Kopf. Er
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