Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I
überwältigen – hinter ihnen warteten vier weitere darauf, nötigenfalls in den Kampf einzugreifen, von dem Unheimlichen mit der Goldmaske ganz zu schweigen. So wich ich mit zusammengebissenen Zähnen Schritt für Schritt vor den beiden Rotgekleideten zurück, bis ich mit dem Rücken gegen rauen Felsen stieß.
Die beiden folgten mir, nicht einmal sehr schnell und mit sonderbar mechanischen, abgehackten Bewegungen. Ihre Gesichter blieben leer und völlig ausdruckslos und je näher sie mir kamen, je deutlicher ich ihre leblosen Augen sehen konnte, desto weniger erschienen sie mir überhaupt wie Menschen. Viel mehr erinnerte mich ihr Anblick an die schrecklichen, metallenen Monster, der der wahnsinnige Tempelritter Sarim de Laurec vor so langer Zeit auf meine Fährte gesetzt hatte.
Und vielleicht war diese Assoziation auch der Grund, aus dem ich jetzt nicht zögerte, das magische Talent einzusetzen, das mein Vater mir hinterlassen hatte.
»Bleibt stehen!«, sagte ich. Ich bemühte mich, alle suggestive Kraft, jedes bisschen Willen, das ich aufbringen konnte, in diese beiden Worte zu legen. Es war so lange her, dass ich diese Kräfte eingesetzt hatte, und ich hatte es stets nur widerwillig und in Momenten höchster Gefahr getan, aber nun spürte ich, dass mein Leben davon abhing. Vielleicht mehr. Und was ich kaum zu hoffen gewagt hatte, geschah: Zuerst der eine, dann auch der andere Rotgekleidete blieben stehen und zum ersten Mal erschien der Ausdruck eines echten Gefühles in ihren Augen: Verwirrung.
»Zurück!«, sagte ich. »Geht zurück! Ihr werdet mich nicht anrühren!«
Tatsächlich bewegte sich einer der beiden einen Schritt rückwärts, aber nur einer, und auch er nur einen einzigen Schritt, ehe er wieder zur Reglosigkeit erstarrte. Ich konnte den lautlosen Kampf in seinen Augen sehen, der in seinem Inneren tobte. Die hypnotische Macht meines Blickes und meiner Stimme bannte ihn, aber zugleich war da auch eine andere, ebenso starke Kraft, die ihn zwingen wollte, weiterzugehen.
»Bravo«, sagte Crowley kalt. »Was man mir über Sie erzählt hat, scheint die Wahrheit zu sein, Mr. Craven. Sie sind tatsächlich ein äußerst talentierter junger Mann.«
Ich widerstand der Versuchung ihn anzusehen, sondern fixierte die beiden Gestalten vor mir weiter. Ich spürte, dass meine Kräfte nicht mehr lange vorhalten würden.
»Was wollen Sie von mir?«, fragte ich. »Wer zum Teufel sind Sie überhaupt?« Es war ein Fehler, mit ihm zu reden, das wusste ich. Ich sollte alle meine Kräfte für den bevorstehenden Kampf aufheben, denn zweifellos würde Crowley mich nicht einfach so davonkommen lassen. Vielleicht ließ er meinen Widerstand sogar ganz absichtlich zu, um herauszufinden, wie groß meine Kräfte wirklich waren.
»Sie machen es sich und uns nur unnötig schwer, Robert«, sagte er. »Sie halten uns für Ihre Feinde. Aber das sind wir nicht. Im Gegenteil.«
Ich sah aus den Augenwinkeln, wie er eine Geste machte, und plötzlich drehten sich die beiden Männer vor mir um und gingen wortlos zu ihren Kameraden zurück, um wieder ihren Platz in deren Reihe einzunehmen. Zögernd drehte ich mich zu Crowley herum, versuchte aber so stehen zu bleiben, dass ich sowohl ihn als auch die anderen zugleich im Auge behalten konnte.
»Sie glauben mir nicht«, sagte Crowley. »Nun, das verstehe ich. Aber vielleicht wird Sie das überzeugen.« Er hob den freien Arm und deutete auf einen Punkt hinter mir. »Sehen Sie dorthin, Robert.«
Ich zögerte der Aufforderung Folge zu leisten, aber nur eine Sekunde. Crowley war nicht auf solch billige Tricks angewiesen, um mich zu überwältigen. Langsam drehte ich mich herum und sah in die Richtung, in die seine ausgestreckte Hand deutete.
Eine weitere Gestalt war hinter mir erschienen. Sie war nicht in das blutige Rot der anderen gekleidet, sondern trug ein Gewand von strahlendem Weiß. Von der gleichen Farbe war auch ihr Haar, das lang und glatt bis weit über die Schultern fiel, und das Paar riesiger Flügel, das hinter ihrem Rücken zusammengefaltet war.
Hinter mir stand Shadow, der abtrünnige Engel.
Es war eine Flucht ohne Aussicht. Sie hatten das Gebäude ein halbes Dutzend Mal durchquert, waren vom Eingang zur Hintertür, von dort wieder zurück zum Portal und zum Dienstboteneingang gelaufen, aber der Anblick war überall derselbe: Im braunen Morast des Gartens war ein schwarzes Gewebe erschienen, ein Ding wie ein riesiges, pulsierendes Netz, in dem sich schwarze
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