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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bewegten sich. Sie lebten. Es war völlig unmöglich, es konnte einfach nicht sein, aber meine Augen zeigten mir das Gegenteil dessen, was mein Verstand mir verzweifelt klar zu machen versuchte. Die Gestalten, die das allmählich zurückweichende Wasser freigab, waren lebendig. Eine nach der anderen erhoben sie sich und fanden sich wieder zu der gesenkten Hauptes einhergehenden Prozession zusammen, als die ich sie vor zwei Tagen ins Meer hatte hinausgehen sehen.
    Aber sie machten nicht etwa kehrt, um zum Land zurückzugehen, sondern näherten sich langsam, zuerst bis zur Brust, später zur Hüfte und dann noch bis zu den Knien durch das Wasser watend, weiter dem Turm, bis sie schließlich im toten Winkel unter dem Balkon verschwanden und nicht mehr zu sehen waren.
    Auf einen entsprechenden Befehl Crowleys hin wandten wir uns um und gingen in den Turm zurück. Die große Halle war nicht mehr leer. Etliche TIEFE WESEN hatten sich wie zu bizarrem Leben erwachte steinerne Götzenbilder längs der Wände aufgereiht und auch die Kinder von Brandersgate und das Netz waren wieder da. Die dünnen Fäden krochen und wogten um die kleinen Gestalten herum, berührten sie aber nicht. Noch nicht. Die Stimmung einer schrecklichen Erwartung lag in der Luft.
    Niemand sprach ein Wort. Selbst das Heulen des Windes war draußen zurückgeblieben und eine unheimliche Stille hatte sich über die Szene gelegt. Auch Cohen und ich wagten es nicht, dieses Schweigen zu brechen.
    Minuten vergingen, dann tauchten die ersten einer ganzen Prozession kleiner, in bodenlange braune Kapuzenmäntel gehüllter Gestalten unter der gegenüberliegenden Tür auf. Es waren die vermeintlichen Kinder von Brandersgate, die ich unten im Meer gesehen hatte. Verwirrt sah ich zu Joshua und den anderen Jungen und Mädchen hinüber, dann wieder zu den verhüllten Gestalten. Ich versuchte vergeblich, das Dunkel unter ihren Kapuzen mit Blicken zu durchdringen. Vor zwei Tagen war ich sicher gewesen, einige Gesichter wiederzuerkennen. Aber das konnte nicht sein, Joshua und die anderen standen vor mir. Doch wenn sie es nicht waren, die sich unter den dunklen Mänteln verbargen, wer dann?
    Die Bewegungen der Netzkreatur wurden heftiger. Wie ich es schon einmal beobachtet hatte, glitten die dünnen schwarzen Fäden auf die Gestalten der Kinder zu, krochen an ihnen und ihrer Kleidung empor und hindurch. Beiläufig registrierte ich, dass Joshua als Einziger von der Berührung des schrecklichen Wesens verschont blieb. Er stand zwar inmitten der anderen Kinder, doch nicht einer der Fäden berührte ihn. Trotzdem war er so reglos und erstarrt wie alle und auf seinem Gesicht lag der gleiche, fast tranceähnliche Ausdruck.
    Doch nicht nur die knapp zwei Dutzend Jungen und Mädchen wurden von dem Netz eingesponnen. Langsam, mit fast zeremoniellen, gemessenen Schritten näherten sich die verhüllten Gestalten denen der Kinder. Und in mir stieg eine schreckliche Ahnung auf, was nun geschehen mochte.
    Ich behielt Recht. Die Zahl der Neuangekommenen entsprach genau der der Kinder von Brandersgate und jeweils eine verhüllte Gestalt trat auf einen Jungen oder ein Mädchen zu und blieb zwei Schritte vor ihm stehen. Kaum war es geschehen, da zuckte und wogte das Netz und Dutzende dünner Fäden krochen unter die erdbraunen Mäntel, woraufhin auch diese Gestalten zur Reglosigkeit erstarrten.
    »Um Gottes willen!«, flüsterte Cohen. Seine Stimme klang fast hysterisch. »Robert! Sehen Sie doch!«
    Mein Blick folgte der Richtung, in die sein ausgestreckter Arm wies – und auch ich fuhr entsetzt zusammen, obwohl mich der Anblick nicht einmal völlig unvorbereitet traf.
    Eine der unheimlichen Gestalten war uns nahe genug gekommen, dass wir trotz des schwachen Lichtes das Gesicht unter der Kapuze erkennen konnten.
    Es war kein menschliches Gesicht. Aus einer grünhäutigen, geschuppten Fläche starrten zwei riesige Fischaugen heraus, das Gesicht hatte keine Nase und der Mund war wie eine klaffende Wunde, die den Schädel fast zur Gänze spaltete. Die Gestalt, die vor dem fünf- oder sechsjährigen Jungen stand, auf den Cohen deutete, war ein TIEFES WESEN.
    »Großer Gott, Robert«, keuchte Cohen. »Was … was geschieht hier?«
    Ich hätte es ihm sagen können, doch ich schwieg, denn das Entsetzen, das mein Begreifen begleitete, war einfach zu groß. Was aus dem Meer gekommen war, das waren Junge. Die Brut der TIEFEN WESEN, die aus den Abgründen des Ozeans emporgestiegen war, um sich Hennessey

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