Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
zwingen, dann drehte er sich wieder halb zur Brüstung um und machte eine einladende Geste, neben ihn zu treten. Cohen und ich gehorchten. Ich widerstand der Versuchung mich herumzudrehen, doch ich spürte, dass das TIEFE WESEN uns folgte, obgleich ich nicht einmal seine Schritte hörte. Trotzdem spielte ich eine Sekunde lang ernsthaft mit dem Gedanken, den Moment auszunutzen und Crowley einfach in die Tiefe zu stoßen. Schwer war es sicherlich nicht – eine entschlossene Bewegung und das Leben dieses dämonischen Vampirwesens würde vierzig oder fünfzig Meter tiefer auf den Klippen sein wohl verdientes Ende finden. Wahrscheinlich würde dieser Angriff auch mich das Leben kosten, aber darauf hätte ich vermutlich nicht einmal Rücksicht genommen, hätte ich sicher sein können, Erfolg zu haben. Doch ich hatte ja schon bei Hennessey erlebt, wie zäh und nahezu unverwundbar diese Geschöpfe waren. Und ich war ganz und gar nicht mehr sicher, dass Crowley wirklich ein Mensch war.
    Nach Crowleys einleitender Bewegung hatte ich erwartet, unter mir irgendetwas Besonderes zu sehen, doch alles, was ich erblickte, war eine endlose schwarze Fläche, auf der sich sichelförmige Lichtreflexe spiegelten. Ein starker Salzwassergeruch stieg in meine Nase und der eisige Wind, den ich bisher stets als unangenehm, wenn nicht quälend empfunden hatte, kam mir mit einem Male wie ein Labsal vor, hatte ich doch zum ersten Mal seit Stunden wieder das Gefühl frei atmen zu können.
    »Sehen Sie es, Robert?«, fragte Crowley nach einer Weile.
    Ich schüttelte den Kopf. »Was?«
    Crowley sah mich kurz an und senkte seinen Blick dann wieder auf das Meer hinab. Im Profil konnte ich erkennen, wie ein sonderbar wehmütiges Lächeln von seinem Gesicht Besitz ergriff. »Die Weite«, sagte er. »Diese unendliche Größe und Stille. Spüren Sie es nicht? Wie majestätisch es ist?«
    Der Moment erschien mir für philosophische Betrachtungen über die Majestätik des Meeres denkbar ungeeignet. Trotzdem nickte ich nach einigen Sekunden zögernd.
    »Man kommt sich winzig vor, angesichts dieser Größe, nicht wahr?«, fragte Crowley. »Es ist ein bisschen wie die Ruhe dort oben zwischen den Sternen, wissen Sie? So ungefähr muss es in ihrem Reich aussehen. Gewaltig, still und mächtig. Was ist ein Mensch gegen diese Größe?«
    Ich sagte immer noch nichts, aber seine Worte ließen eine ganze Batterie von Alarmglocken hinter meiner Stirn ertönen. Es war das erste Mal, dass ich einen Menschen so offen über die Wesen sprechen hörte, denen er diente.
    Crowley drehte sich an der Brüstung herum, verschränkte die Arme vor der Brust und sah eine Sekunde lang Cohen und dann sehr viel länger und mit einem nicht einmal unfreundlichen Blick mich an. »Ich wollte, dass Sie dies hier sehen«, sagte er. »Vielleicht verstehen Sie jetzt ein bisschen besser, wie winzig und bedeutungslos die Menschen sind.«
    »Ist es das, wovon Sie träumen?«, fragte Cohen scharf. »Der Tod ist auch sehr mächtig und ruhig, Mr. Crowley, wissen Sie?«
    Crowley schien nicht einmal verärgert zu sein. Er schüttelte nur den Kopf, auf eine Art, als wolle er damit klar machen, dass er es für sinnlos hielt, Cohen überhaupt zu antworten, und fuhr an mich gewandt fort: »Es tut mir Leid, dass es so enden muss, Robert. Das ist die Wahrheit. Bitte glauben Sie mir. Manchmal müssen Dinge eben getan werden, auch wenn sie mir nicht gefallen. Hätten Sie sich in London nicht widersetzt, wäre alles viel einfacher gewesen.«
    Ein paar Sekunden starrte ich ihn einfach nur an und zweifelte ernsthaft an seinem Verstand. Stand Crowley ernsthaft da, grinste mich an und versuchte mein Verständnis für die Kleinigkeit zu gewinnen, dass er mich umbringen würde? »Ich sehe den Unterschied«, sagte ich sarkastisch. »Ich wäre zwei Wochen eher gestorben.«
    »Aber auf eine andere Weise«, sagte Crowley. »Der Tod ist nichts, Robert. Irgendwann ereilt er uns alle. Was zählt, ist das Sterben. Sie waren bereit Ihr Leben einer größeren und wichtigeren Sache zu opfern. Jetzt glauben Sie, von Ihren Feinden vernichtet zu werden.«
    »Was natürlich nur ein Irrtum ist«, sagte ich spöttisch.
    Crowley seufzte. »Es hat wohl keinen Sinn«, sagte er. »Es ist schade, dass Sie nicht einsehen wollen, wie zwecklos alle Ihre Bemühungen und Anstrengungen sind. Die Dinge werden so kommen, wie sie vorherbestimmt wurden. Nichts, was Menschen oder irgendwelche anderen Lebewesen tun, kann etwas daran

Weitere Kostenlose Bücher