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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schien sich auf einer tieferen Ebene meines Bewusstseins abzuspielen, denn es führte kein Erkennen im Geleit, sondern nur eine immer stärker werdende Beunruhigung. Erst als ich sowohl Crowleys als auch Joshuas Blicke auf mir ruhen fühlte und das Erschrecken in Cohens Gesicht sah, wurde mir klar, dass dieser neuerliche Schub von Furcht keine Einbildung war, sondern einen höchst greifbaren Anlass hatte.
    Und in diesem Moment erkannte ich auch das Muster, das der Bewegung des Netzes innewohnte. Das unheimliche Fadengewebe bedeckte plötzlich nicht mehr die gesamte Halle, sondern zog sich rasch und lautlos um Crowley und mich herum zusammen, ohne einen von uns beiden bereits zu berühren. Aber ich wusste, dass es dies tun würde. Bald. In ganz kurzer Zeit. Crowley starrte mich an und lächelte böse und ich spürte, dass er auf irgendetwas wartete, etwas, das geschah, vielleicht auch nur einen bestimmten Zeitpunkt, der nicht mehr weit entfernt war.
    »Es ist so weit, Robert«, sagte er. »Noch wenige Augenblicke und Ihr Schicksal wird sich erfüllen. Und mit ihm vielleicht das der ganzen Welt.«
    »Oh, mehr nicht?«, sagte ich in dem vergeblichen Versuch, spöttisch zu klingen. »Haben Sie es nicht eine Nummer kleiner, Crowley?«
    Crowley lachte, aber nur eine Sekunde, dann wandte er rasch den Blick zum Fenster, und als ich in die gleiche Richtung sah, erkannte ich, dass der Mond als runde, matt silberne Scheibe direkt in der Öffnung erschienen war. Sein Licht fiel in einem bleichen, aber auf eigentlich unmögliche Weise scharf gebündelten Strahl herein, glitt wie der suchende Lichtfinger einer Lampe über den Boden und berührte das Netz.
    Im gleichen Moment leuchteten die Fäden schwarz auf. Es klingt absurd, aber dieser Begriff ist vielleicht das Einzige, was der unmöglich zu beschreibenden Veränderung des lebenden Spinnennetzes zumindest nahe kommt. Sein Schwarz erreichte eine Intensität, die es wie eine Helligkeit verschlingende Aura auflodern ließ, und noch ehe ich auch nur meinen Schrecken über diese jähe Veränderung richtig begreifen konnte, schnellten Dutzende der winzigen Fäden auf mich zu, schlangen sich wie haarfeine Peitschenschnüre um meine Füße und meine Waden und durchstießen den Stoff der Hose.
    Es war ein Gefühl, als drängen tausende winziger Nadeln gleichzeitig durch meine Haut. Der Schmerz war nicht einmal sehr heftig, aber von einer Art, die ihn fast unerträglich werden ließ. Ich wankte wie unter einem Hieb, hörte, wie Cohen entsetzt aufschrie, und sah wie durch einen grauen Vorhang aus Schwäche hindurch, wie die Fäden auch auf Crowleys vom Alter gebeugten Körper zuschossen und ihn umschlangen.
    Und dann …
    Eine stählerne Kralle schien in meine Seele zu greifen und alles Menschliche zu zermalmen. Ich spürte, wie etwas nach dem Leben selbst in mir griff und es aus meinem Körper herauszureißen versuchte und wie sich gleichzeitig etwas anderes, Fremdes, unsagbar Böses näherte, um seinen Platz einzunehmen. Mit aller Gewalt versuchte ich mich dagegen zu wehren, kämpfte mit all meiner normalen und auch jedem bisschen jener magischen Kraft, die zu benutzen ich bisher stets gezögert hatte, dagegen an, aber es war, als versuche ich mit bloßen Händen eine Springflut aufzuhalten. Mein Widerstand wurde einfach hinweggefegt.
    Wie von weit, unendlich weit her hörte ich Cohen abermals aufschreien, sah, wie er dem TIEFEN WESEN, das hinter ihm stand, einen so überraschenden Stoß versetzte, dass es einen Schritt zurücktaumelte, und sich gleichzeitig auf Crowley stürzte. Zugleich glitt seine Hand unter die Jacke und kam mit etwas Schmalem, metallisch Schimmerndem wieder zum Vorschein.
    Doch ich registrierte all dies nur wie Bilder aus einem Traum, der zu weit entfernt und zu irreal war, um Einfluss auf mein Leben zu nehmen. Der grauenhafte Sog des fremden Geistes in mir wurde stärker, immer stärker und stärker und stärker – und brach ab.
    Die Erleichterung war so groß und kam so plötzlich, dass ich abermals taumelte, nach vorne fiel und den Sturz im letzten Moment mit den Händen abfing, wobei ich bis über die Handgelenke hinauf in der widerwärtigen, zuckenden Fadenmasse versank, die mich wie ein lebender Teppich umgab. Eine Million glühender Nadeln bohrte sich in meine Finger und der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen.
    Jemand – etwas! – schrie. Ich hörte Crowley einen keuchenden, erstickten Laut ausstoßen, der dann plötzlich abbrach, dann brüllte

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