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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Menschheit, wie wir sie kennen, hat von Ihrer Gegenwart aus nur noch eine Zukunft von wenigen Jahrzehnten, Howard.«
    Howard blickte ihn verständnislos an. »Wovon sprechen Sie?«
    »Ich habe es selbst erlebt«, berichtete George. »Den genauen Zeitpunkt werde ich Ihnen nicht nennen, aber auf einer meiner Reisen machte ich Halt im zwanzigsten Jahrhundert. Ich wurde Zeuge eines entsetzlichen Krieges, der den größten Teil der Menschheit auslöschte.« Er schloss die Augen bei der Erinnerung an die schrecklichen Bilder. »Bitte ersparen Sie mir die Einzelheiten. Auf jeden Fall war das einer der Gründe, weshalb ich mich entschloss, bei den Eloi zu bleiben«, fuhr er nach einer kurzen Pause fort. »Ich hätte es nicht ertragen, in einer Zivilisation zu leben, deren Ende ich gesehen habe und das so kurz bevorsteht. Deshalb bin ich auch niemals in die nähere Zukunft meiner Zeit bei den Eloi gereist. Natürlich wüsste ich nur zu gerne, ob es uns gelingt die Morlocks zu besiegen, aber falls sich herausstellen würde, dass es nicht so wäre, würde ich auch diese zweite Heimat verlieren.« Er blickte Howard an. »Wollen Sie immer noch Ihr Leben um einer Menschheit willen riskieren, die bereits zum Untergang verurteilt ist?«
    Howard rang sich ein schwaches Lächeln ab und schüttelte den Kopf.
    »Warum machen Sie sich selbst etwas vor, George?«, fragte er. »Sie verstehen genug vom Prinzip der Zeit, um ebenso gut wie ich zu wissen, dass nichts von dem, was Sie gesehen haben, zwangsläufig eintreten muss. Was Sie erlebt haben, ist nur eine mögliche Zukunft. Die Zukunft ist niemals konstant. Von jedem Punkt der Zeit aus gibt es eine Unmenge verschiedener Alternativen, wie die Entwicklung weitergehen könnte. Der Zeitfluss, auf dem Sie vor und zurück reisen, stellt nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten dar, für die in der Gegenwart die Weichen gestellt werden. In einer anderen möglichen Entwicklung wird es dagegen keinen Krieg geben und möglicherweise werden auch niemals Eloi leben. Letztlich liegt es in der Hand jedes Einzelnen, im Rahmen seiner Möglichkeiten den Verlauf zu bestimmen. Es gibt keine Vorherbestimmung.«
    George sah ihn nicht an, sondern wandte sich wieder dem verbogenen Hebel zu und schlug mehrmals kräftig mit dem Stein dagegen. Sein Gesicht war zu einer Maske des Schmerzes geworden und erst jetzt begriff Howard, dass sein Gegenüber sehr wohl selbst wusste, was er ihm gerade gesagt hatte, dieses Wissen aber verdrängt hatte. George war ein Mann, der in zwei Welten, genauer gesagt zwei Zeiten, zugleich beheimatet war. Er hatte sich für die Zeit der Eloi entschieden, dennoch empfand er immer noch Sehnsucht nach dem London des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, dem er entstammte. Um sich selbst die Trennung zu erleichtern, hatte er nach Gründen gesucht und sich Argumente wie den bevorstehenden Krieg zurechtgelegt, warum er dort nicht mehr leben könnte. Es fiel leichter, einem zum Untergang verurteilten Volk den Rücken zu kehren, als einem, dessen Blütezeit womöglich erst bevorstand. Ihm ging es nicht um den Krieg, dessen Zeuge er geworden, dessen tatsächlicher Ausbruch jedoch äußerst fraglich war, sondern um einen Vorwand.
    Ohne Absicht hatte Howard die Wunde neu aufgerissen und er wusste, dass jedes weitere Wort zu diesem Thema alles nur verschlimmern würde. Deshalb trat er nur neben George und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Kommen Sie mit uns?«
    George senkte den Blick und schwieg eine Weile. »Nein«, sagte er schließlich. »Aber ich werde hier auf Sie warten, keine Sorge.«
     
    Der Sturz in die Tiefe dauerte zwei, allenfalls drei Sekunden, doch zu sagen, dass sich diese drei Sekunden zu Ewigkeiten dehnten, hätte das, was ich in diesen Augenblicken empfand, nur unzureichend beschrieben. Drei Sekunden des höchsten Glücksgefühles mögen unendlich kurz sein, ein Moment, der so schnell vorbei ist, wie er kommt, und im Grunde nur aus den Erinnerungen daran besteht. Drei Sekunden furchtbarer Pein oder Todesangst mögen sich zu Ewigkeiten dehnen, doch auch sie sind endlich.
    Diese drei Sekunden waren anders. Selbst heute noch erinnere ich mich an jeden noch so unendlich kurzen Bruchteil davon und selbst heute noch erfüllt mich diese Erinnerung mit einem solchen Entsetzen und Grauen, dass ich an mich halten muss, um nicht am ganzen Leib zu zittern. Seit jenem Augenblick, in dem ich mich hinter Cohen mit einer kraftvollen Bewegung über die Brüstung schwang, weiß ich,

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