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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ausgewählter Gebäude, und was wir fanden, war überall dasselbe. Meine Erinnerungen (und meine Vernunft) sagte mir, dass es unmöglich sei, aber es war eindeutig: Dieser Ort war verlassen. Brandersgate war eine Geisterstadt, in der seit Jahren keine Menschen mehr lebten.
    Schließlich hatten wir das Ende der einzigen Straße erreicht und als wir aus dem letzten Gebäude, das wir in unsere Suche einbezogen hatten, heraustraten, blieb Cohen plötzlich stehen und hob warnend die Hand. Auch ich erstarrte mitten in der Bewegung und blickte gebannt in die Dunkelheit. Ich sah nichts als Schatten, aber eine Sekunde später glaubte ich, etwas zu hören: ein mühsames Schleifen und Rascheln, etwas wie ein Kriechen, als schleppe sich im Schutze der Dunkelheit ein großer, missgestalteter Körper heran. Und mir blieb nicht einmal Zeit, mein Erstaunen richtig zu verarbeiten, da sah ich doch eine Bewegung.
    Aus dem Schatten der Kirche auf der anderen Straßenseite löste sich eine kleine Gestalt.
    »Joshua!«, flüsterte Cohen erstaunt.
    Auch ich hatte den Jungen erkannt und wollte instinktiv auf ihn zugehen, aber dann blieb ich so plötzlich wieder stehen, als wäre ich vor eine unsichtbare Wand gelaufen.
    Es war Joshua, daran bestand gar kein Zweifel. Aber er war nicht allein.
    Hinter ihm krochen … Dinge aus der Nacht. Im ersten Moment konnte ich nicht wirklich erkennen, was es war. Die Schwärze schien sich einfach zu Klumpen zusammengeballt zu haben, die pulsierend herankrochen. Im allerersten Moment meinte ich, die Nacht hätte eine weitere Armee schrecklich missgestalteter Shoggotenmonster ausgespien, doch so verständlich dieser Gedanke auch sein mochte, er war falsch. Was da herankroch, war etwas viel Schlimmeres.
    Cohen musste es wohl im gleichen Moment erkannt haben wie ich, denn auch er stieß einen krächzenden, in ein Würgen übergehenden Schrei aus und prallte entsetzt zurück.
    Es waren Gestalten …
    Vielleicht waren sie früher einmal menschlich gewesen, doch nun waren sie grauenhaft verkrüppelt. Ihre Körper waren zu buckeligen, von rotem pulsierendem Narbengewebe übersäten Monstrositäten geworden, ihre Glieder waren verkrümmt, verstümmelt, von Flammen verheert und zum Teil mit der zu Schlacke erstarrten Haut der Leiber verschmolzen. Keines der Geschöpfe vermochte sich noch auf nur annähernd normale Weise zu bewegen. Manche krochen auf allen vieren dahin, andere schleppten sich, nur die Arme oder eine einzelne, verkrüppelte Hand benutzend, wie riesige missgestaltete Quallen heran, wieder andere wurden von ihren zerstörten Gliedern zu einem grotesken Humpeln und Hüpfen gezwungen oder hinterließen feuchte, glänzende Spuren auf dem Boden. Am schlimmsten aber waren die Gesichter. Aus Masken aus schwärendem Narbengewebe starrten mich riesige, kalte Fischaugen an, Münder, die vollends zu klaffenden Narben geworden waren, waren zu stummen, vorwurfsvollen Schreien geöffnet, ohne dass ich auch nur den mindesten Laut hörte.
    Ohne dass ich die Gestalten zählen musste, wusste ich, dass es achtzehn waren. Was da in Joshuas Begleitung herankam, dass war die Brut der TIEFEN WESEN; die Geschöpfe, die die Stelle der Kinder von Brandersgate hatten einnehmen sollen. Das Höllenfeuer, das den Turm und den Netzshoggoten im Wasser vernichtet hatte, hatte sie nicht getötet. Aber es hatte sie zu dem werden lassen, was sie wirklich waren: Monstrositäten, die nicht einmal mehr äußerlich Ähnlichkeit mit Menschen hatten.
    Schaudernd wich ich einen Schritt vor der herankriechenden Front der verkrüppelten Monster zurück, obgleich von diesen kaum noch eine Gefahr ausging. Der Anblick erfüllte mich beinahe – aber wirklich nur beinahe – mit Mitleid, auf keinen Fall aber mehr mit Furcht, wohl aber mit einem solchen Abscheu, dass ich instinktiv einen weiteren Schritt zurückwich, bis ich mit dem Rücken gegen den Türrahmen stieß. Schon die kleine Erschütterung reichte aus, drinnen im Haus irgendetwas umfallen und krachend zerbrechen zu lassen. Schließlich löste ich meinen Blick von den feuerverheerten Gesichtern und sah Joshua an. Der Junge stand einfach da und starrte zu uns herüber.
    »Joshua!«, sagte ich. »Geh da weg! Komm her zu uns!«
    Joshua regte sich nicht. Er stand da, die Arme halb erhoben und die Hände in einer Geste hilflosen Zornes zu kleinen Fäusten geballt; und auf seinem Gesicht erschien allmählich ein Ausdruck solchen Schmerzens und solcher Wut, dass mir erneut ein eisiger Schauer

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