Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II
hell wurde, zogen sich die meisten Einwohner von Brandersgate wieder in ihre Häuser zurück und die Lichter, die die ganze Nacht gebrannt hatten, erloschen jetzt eines nach dem anderen. Und schließlich verließen auch Tom, McGillycaddy und die anderen Männer, die an dem Überfall auf uns beteiligt gewesen waren, das Haus. Bei ihnen befanden sich Pasons und einige der anderen Kinder – nicht alle – und Cohen.
Sein Anblick erfüllte mich mit einer tiefen Erleichterung. Zumindest lebte er noch; und er schien nicht einmal ernsthaft verletzt zu sein, ja, die Männer hatten sogar darauf verzichtet, ihn zu fesseln. Aber warum auch nicht? Er wurde von einem Dutzend finster dreinblickender Gestalten flankiert, sodass jeder Fluchtversuch von vornherein sinnlos war. Und ich konnte ihn und die anderen aus meinem Versteck heraus zwar deutlich sehen, im Augenblick aber rein gar nichts für ihn tun. Selbst wenn ich mich in einer besseren körperlichen Verfassung befunden hätte, als ich es nach der Nacht unter dem hölzernen Baldachin nun einmal war, wäre die Übermacht doch einfach zu groß gewesen. So blieb mir nichts anderes übrig, als reglos dazuliegen und Cohen und den anderen nachzublicken, bis sie am Ende der Straße verschwunden waren. Ich vermutete, dass man ihn in McGillycaddys Haus bringen würde, denn etwas wie ein Gefängnis gab es bestimmt in ganz Brandersgate nicht.
Angestrengt dachte ich über mein weiteres Vorgehen nach. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, hierher zurückzukommen und auf eine Gelegenheit zu hoffen, Cohen zu befreien. Zwar glaubte ich nun nicht mehr, dass die aufgebrachte Menge den Inspektor lynchen würde – so etwas geschah sofort oder gar nicht – aber ich ahnte doch zumindest, dass es mir nicht möglich sein würde, ihn ganz allein dort herauszuholen. Also beschloss ich, nun doch ins Nachbardorf zu eilen und dort Hilfe zu holen; eine Idee, die mir mit jeder Minute, die ich weiter in der eisigen Kälte lag, verlockender erschien. Zudem war dieses Vorhaben nun weitaus weniger riskant als am vergangenen Abend, denn während da praktisch die gesamte Stadt nach mir gesucht hatte, wähnte mich nun vermutlich niemand mehr in der Umgebung von Brandersgate, sodass ich annahm, die acht Meilen bis zum Nachbarort relativ unbehelligt zurücklegen zu können. In meinem momentanen Zustand war dies zwar ein Fußmarsch von sicherlich drei, wenn nicht vier Stunden, aber diese Idee erschien mir immer noch vernünftiger als die, mich ganz allein mit zwei- oder dreihundert aufgebrachten Männern und Frauen anzulegen.
Es verging noch fast eine halbe Stunde, ehe ich es wagte, mein Versteck zu verlassen. Die durchwachte Nacht forderte ihren Tribut von der Einwohnerschaft des Ortes. Zu der Zeit, zu der wohl die meisten sonst wieder aufstanden, erloschen nach und nach auch die letzten Lichter und eine sonderbar unangenehme Art von Ruhe begann sich über dem Dorf auszubreiten.
Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass es zu keinem Zeitpunkt weniger riskant sein würde als jetzt, mein Versteck zu verlassen, und kroch unter dem Bahnsteig hervor. Ich befand mich auf der dem Ort abgewandten Seite des Gebäudes, sodass ich kaum gesehen werden konnte, und das war auch gut zu, denn in den ersten Minuten war ich kaum in der Lage, mich zu bewegen. Meine Glieder waren steif vor Kälte und vom langen Liegen und quittierten jeden Versuch sie zu bewegen mit heftigen Schmerzen. Meine Arme und Beine schienen mit Blei gefüllt zu sein. Es dauerte lange, bis ich auch nur in der Lage war auf die Schienen hinauszutreten und mich nach Westen zu wenden. Die Gleise verschwanden nach knapp hundert Yards zwischen den Bäumen eines bereits kahl werdenden Waldes und auf dem ersten Stück des Weges schützte mich noch der Bahnhof vor jeder Entdeckung. Aber es gab ein gefährliches Stück von vielleicht dreißig oder vierzig Yards, auf dem ich völlig ungeschützt sein würde; ein einziger, zufälliger Blick aus einem Fenster oder einer Tür würde reichen, mich zu entdecken, und dann war ich verloren, denn ich hatte nicht mehr die Kraft um wegzulaufen; geschweige denn, mich eines Angriffes zu erwehren. So sammelte ich all meine Kraft, schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass ich noch ein letztes Mal Glück haben möge – und rannte los.
Im allerersten Moment fiel es mir leichter, als ich zu hoffen gewagt hatte. Aber es gelang mir nicht, den Rhythmus meiner Schritte genau dem Abstand der hölzernen Schwellen anzupassen, und
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